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Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Bernsteinaugen und Zinnsoldaten

Titel: Bernsteinaugen und Zinnsoldaten
Autoren: Joan D. Vinge
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plötzlich hinter Gardas blauen Augen. „Das könnte echte … soziale Folgen haben. Denken Sie drüber nach, Marcus.“
    Reed nickte und betrachtete die geduldig wartenden Gesichter, die ihm noch immer zugekehrt waren. „Ja … das könnte es. Ein Fall von echtem menschlichem Interesse.“ Zustimmendes Murmeln. „Nun gut, Shann, es dauert noch etwa drei Tage, bevor im ‚Sherwood Forest’ wieder die Sonne aufgeht. Du hast sie zu deiner Verfügung, um mit T’uupieh zu arbeiten. Die Presse wird Berichte über deine Fortschritte wollen …“ Er sah auf die Uhr und nickte zur Tür, worauf er sich auch schon wieder abwandte. Shannon sah seiner Mutter nicht ins Gesicht, als sie an ihm vorbeiging.
    „Viel Glück, Shann.“ Das sagte Reed noch abwesend zu ihm. „Ich habe wenig Vertrauen in den Sinneswandel von ‚Robin Hood’, aber du kannst es trotzdem versuchen.“
    Shannon krümmte sich stirnrunzelnd in seinem Sessel zusammen und wandte sich wieder der Konsole zu. „In deiner zukünftigen Inkarnation wirst du vielleicht als Klo wieder zur Welt kommen.“
     
    T’uupieh war verwirrt. Sie saß neben dem Dämon auf klammem Wasserstein und wartete darauf, daß er ihr antwortete. Seit der Zeit, als sie ihn im Sumpf gefangen hatte, war sie immer wieder überrascht gewesen, wie wenig sein Verhalten dem ähnelte, was sie über Dämonen wußte. Und heute nacht …
    Sie zuckte zusammen, als sein grotesker Klauenarm plötzlich zum Leben erwachte und in den Spalten umhertastete, wo die ersten Frühlingssprößlinge die Oberfläche des Eises durchstoßen hatten. Der Dämon tat viele unverständliche Dinge (was nicht verwunderlich war), und er verlangte Opfer aus Metall, Fleisch, Pflanzen und sogar Stein – und manchmal auch Dinge, die sie von Reisenden geraubt hatte. Sie hatte ihm diese Dinge gerne gegeben, in der Hoffnung, damit seine Zufriedenheit und seine Unterstützung erreichen zu können, sie hatte ihn sogar, wenn auch manchmal zähneknirschend, mit wertvollen Metallornamenten der Alten gefüttert, die sie einem weinerlichen, umherreisenden Lord abgenommen hatte. Der Dämon hatte ihr ausgiebig dafür gedankt, denn alle Dämonen horteten Metalle – sie vermutete, sie brauchten die Metalle, um ihre Stärke zu bewahren. Seine Kopfkuppel, die nun in dem Hexenfeuer erglühte, die sie des Nachts immer umgab, war ein riesiges metallenes Juwel von der Farbe des Blutes. Und doch hatte sie immer gehört, daß Dämonen das Fleisch von Frauen und Männern vorzogen. Doch als sie ihn mit den Flügeln des gefangenen Lords gefüttert hatte, hatte er sie nach wenigen Bissen wieder ausgespien und ihr befohlen, ihn in Ruhe zu lassen. Verwundert hatte sie gehorcht, woraufhin der Narr direkt in die Sümpfe und damit in den sicheren Tod gelaufen war.
    Und nun heute nacht … „Du willst also deine Schwester ermorden“, hatte er zu ihr gesagt, „und zwei unschuldige Kinder dazu. Was empfindest du dabei?“ Und sie hatte ausgesprochen, was ihr zuerst in den Sinn gekommen war: „Daß der neue Tag gar nicht schnell genug anbrechen kann! Ich habe so lange gewartet – zu lange –, um mich an Klovhiri zu rächen! Meine Schwester und ihre Bälger sind Teil seiner Schlechtigkeit und werden besser ausgelöscht, ehe sie sich weiter vermehren können.“ Sie hatte ihren Dolch herausgezogen und ihn in den Schlamm gebohrt, wie sie ihn in ihre Herzen bohren würde.
    Der Dämon war daraufhin lange stumm geblieben, wie immer. (Der Legende nach waren Dämonen unsterblich, und daher nahm sie an, daß er es nicht eilig mit einer Antwort hatte. Sie hatte sich schon oft gewünscht, er würde ihrer eigenen Sterblichkeit mehr Beachtung schenken). Dann aber sagte er mit seiner fremdartigen Stimme voller unbekannter Schattierungen: „Aber die Kinder haben keinem etwas getan. Und Ahtseet ist deine einzige Schwester, sie und ihre Kinder sind von deinem Fleisch und Blut. Sie hat ihr Leben mit dir geteilt. Du sagtest, einst, du hättest sie deswegen …“ – der Dämon verstummte und suchte in seinem begrenzten Sprachschatz nach Worten – „deswegen einst versorgt. Bedeuten dir deine Gefühle von damals denn heute gar nichts mehr? Verspürst du keine Liebe mehr, um deine Hand zu bremsen, die du zum tödlichen Stoß erheben willst?“
    „Liebe!“ sagte sie ungläubig. „Was sind das für Worte, Seelenloser? Du verspottest mich …“ Plötzlicher Zorn ließ sie ihre Zähne entblößen. „Liebe ist ein Spielzeug, mein Dämon, aber mein Spielzeug habe
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