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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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sonst werde ich ohnmächtig!«
    In diesem Moment stürmte Maike ins Zimmer.
    Sie entdeckte mich sofort und guckte mich mit hochrotem Kopf und weit aufgerissenen Augen entgeistert an. Ich strengte mich an, ihr unauffällig zuzuzwinkern.
    Augenblicklich entspannte sie sich und grinste sogar ein bisschen.
    Das Ganze hatte keine drei Sekunden gedauert, aber doch lange genug für Tante Hulda, um loszupoltern.
    »Wird man hier in diesem Haus noch nicht mal mehr begrüßt? «
    »Tach, Tante Hulda«, sagte Maike lustlos und bohrte demonstrativ in der Nase, woraufhin ihre Mutter ermahnend »Maike!« zischte.

    Ich konnte es nicht fassen. Da kam die Tante zu Besuch, und alle kuschten vor ihr und behandelten sie wie Königinmutter. Das war ja nicht zum Aushalten.
    Tante Hulda schnaufte, hielt den Kopf aus dem Fenster und atmete demonstrativ ein und aus.
    »Ist es dir recht, wenn wir in einer Stunde essen?«, fragte Maikes Mutter.
    Tante Hulda nickte nur, aber ihr Rücken sah aus, als ob es ihr nicht recht wäre.
    »Na, dann will ich dich jetzt nicht weiter stören. Du willst dich doch sicher noch ein bisschen frisch machen.«
    Maike warf mir noch einen flehenden Blick zu, aber dann folgte sie ihrer Mutter hinaus.
    Du lieber Himmel! Sollte ich jetzt etwa eine ganze Stunde wie versteinert rumsitzen und Tante Hulda beim Auspacken zugucken? Bitte, Maike, komm zurück, und hol mich hier irgendwie aus dem Zimmer!
    Aber Maike kam nicht zurück. Tante Hulda holte stapelweise Blüschen, Kleider und Pullover aus ihrem Koffer und legte sie dann genauso gestapelt auf die Couch, auf der es immer voller wurde. Heiliger Bernhard! Wie viele Wochen wollte sie denn bleiben? Und hoffentlich kam sie nicht auf die Idee, die Kuscheltiere irgendwo anders hinzuräumen, um Platz für ihre Nachthemden und Unterhosen zu schaffen.
    Das alles mit anzusehen war ja nicht das Schlimmste. Schrecklicher war, dass Tante Hulda dabei sang: Ein Hund kam in die Küche und stahl dem Koch ein Ei. Da nahm der Koch die Pfanne und schlug den Hund zu Brei …

    Was für ein entsetzliches Lied! Und ebenso schlimm war, dass sie so laut und hoch trällerte, dass ich eine Gänsehaut bekam. Dabei wackelte sie mit der Stimme wie eine Opernsängerin und sang noch dazu so falsch, dass mir die Ohren wehtaten. Für unser feines Hundegehör ist das so, als würde einem Menschen eine Lokomotive direkt ins Ohr pfeifen.
    Und die Tortur war noch nicht zu Ende. Sie baute ihre Cremes, Seifen und Parfumfläschchen auf Maikes Schreibtisch auf und sang weiter: Da kamen viele Hunde und gruben ihm ein Grab. Und setzten ihm ’nen Grabstein, auf dem geschrieben stand: Ein Hund kam in die Küche und stahl dem Koch ein Ei, da nahm der Koch die Pfanne …
    Dieses schwachsinnige Lied fing ja immer wieder von vorne an! Bis in die Unendlichkeit! Und Tante Hulda hörte gar nicht mehr auf zu singen. Das war so unerträglich, dass ich unwillkürlich aufheulte. Sofort hielt Tante Hulda erschrocken inne. Wie gehetzt sah sie sich um und versuchte herauszufinden, was das für ein Heulen gewesen war. Sie dachte fieberhaft nach, und ich wartete darauf, dass ihr Kopf zu rauchen begann.
    Aber das passierte nicht. Jedenfalls ging sie nun zum Fenster, das immer noch offen stand, hielt den Kopf nach draußen und horchte nach allen Seiten. Offensichtlich dachte sie, dass das merkwürdige Geräusch von draußen gekommen war.
    Ich beschloss, sie ein bisschen durcheinanderzubringen, und machte leise »Wuff«.
    Sie schoss herum und sah alle Stofftiere argwöhnisch an. Mir war klar, dass ich so ähnlich aussah wie der Kuschelbernhardiner, und bewegte mich nicht.

    Tante Hulda begann vor Aufregung zu schmatzen.
    Meine Mutter hatte uns mal von einem Film erzählt, den sie gesehen hatte, als wir noch nicht geboren waren. Da durfte sie noch bei Küsters im Wohnzimmer auf dem Teppich liegen und konnte genüsslich fernsehen. Der Film handelte von Cruella, einer bösen Frau, die sich aus Dalmatinerfellen einen Mantel machen lassen wollte. Sie stahl zwei Hunde, und dann begann eine Wahnsinnsjagd auf die Frau und eine riesige Aktion, um die Hunde zu retten. Meine Mutter sagte, der Film wäre so spannend gewesen, dass sie sich vor Aufregung die Krallen abgekaut hätte. Sie hatte uns auch die böse Cruella ganz genau beschrieben. Und wenn ich mir Tante Hulda jetzt so anschaute, sah sie eigentlich fast aus wie Cruella. Jedenfalls hatte sie auf ihrer spitzen Nase eine Brille mit hochgebogenen Ecken und aufgesetzten Glitzersteinchen,
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