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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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ganze Tage in Maikes Zimmer, und bisher hatte mich noch niemand gefunden. Es klappte alles hervorragend. Sie brachte mir Reste zum Fressen ins Zimmer, ich schlief den lieben langen Tag, und wenn ich mal musste, sprang ich in den Garten, verschwand unter dem nächsten Gebüsch und kam nach fünf Minuten wieder, wenn die Luft rein war.
    Es fehlte mir an nichts, aber ich langweilte mich tödlich. Ich fragte mich, wie es Robbie wohl ging, und ich hatte Lust, im Wald und auf Wiesen rumzuspringen, wie verrückt zu rennen – einfach mal wieder zu toben.

    Ich rückte ein ganz kleines Stückchen weiter vor und ließ mein Ohr aus dem Bett hängen, denn auf dem Flur hörte ich die Stimmen von Herrn und Frau Redlich, Maikes Eltern.
    »Du lieber Himmel!«, sagte Maikes Mutter Katrin gerade zu ihrem Mann. »Das hab ich ja gar nicht gewusst! Warum hast du mir nicht gesagt, dass Tante Hulda heute kommt?«
    »Ich hab’s vergessen. Tut mir leid, ehrlich. Tante Hulda hat vor zwei Tagen angerufen, und schon das Telefonat ist mir derartig auf die Nerven gegangen, dass ich ihr kaum zugehört und sofort versucht habe, es wieder zu vergessen.«
    »Das kann ich verstehen«, murmelte Katrin. »Mir geht’s genauso. Wenn Tante Hulda anruft, reicht’s mir schon, aber wenn sie jetzt auch noch kommen will … Robert!« Maikes Mutter seufzte entsetzlich. »Das ist der Supergau überhaupt.«
    Ich wusste zwar nicht, was ein Supergau war, aber ich begriff, dass es etwas Schreckliches sein musste und meine Familie, bei der ich blinder Passagier war, ein ernstes Problem hatte.
    Die Tür sprang auf. Ich hatte Mühe, mein Ohr wieder unter die Bettdecke zu stopfen, bevor es jemand sah.
    »Maike«, sagte Frau Redlich. »Wach auf, Schatz! Es ist schon zehn. Du musst unbedingt aufstehen. Tante Hulda kommt. Tut mir leid, aber ich hab’s auch gerade erst von Papa erfahren.«
    Sie war so mit der Katastrophenmeldung beschäftigt, dass sie zum Glück gar nicht darauf achtete, dass die Bettdecke von Maike eine außergewöhnliche Beule hatte, weil ich darunter lag.
    Maike grunzte nur, und ich spürte, dass sie langsam zu sich kam und sich der Situation bewusst wurde: ich im Bett und Mama im Zimmer. Jetzt hieß es aufpassen.

    Ihre Mutter ging zum Fenster, zog die Gardinen auf und öffnete das Fenster.
    »Irgendwie riecht’s hier komisch.«
    »Find ich gar nicht«, erwiderte Maike prompt.
    Maikes Mutter hatte offensichtlich keine Lust, die Diskussion über den eigentümlichen Geruch, der nur von mir stammen konnte, fortzusetzen. Hunde riechen nun mal anders als Menschen. Viel besser, finde ich. Nicht so langweilig. Nicht so nach nichts.
    Es war ein wunderschöner Tag, und Sonnenlicht durchflutete das Zimmer.
    »Tante Hulda kommt«, wiederholte Maikes Mutter tonlos.
    »Waaas?« Maike schoss aus dem Bett hoch. Offensichtlich begriff sie erst jetzt, was ihre Mutter gesagt hatte. »Wann?«
    »Heute. Wann genau, hat sie nicht gesagt. Ich nehme an, am Nachmittag oder abends. Ich weiß, es ist schrecklich, Schatz, aber bitte sei so lieb und steh jetzt auf, nimm deinen Krempel und zieh zu Tom ins Zimmer. Du weißt, dass Hulda hier schlafen muss. Ich bezieh ihr das Bett. Es sollte zumindest alles fertig sein, wenn sie kommt, dann hat sie einen Grund weniger, sich aufzuregen.«
    Na, das konnte ja heiter werden mit dieser Hulda!
    »Ja, ja, ja, ich steh ja gleich auf«, grunzte Maike.
    Mir war klar, dass sie fieberhaft überlegte, wie sie es erreichen könnte, dass ihre Mutter wieder aus dem Zimmer ging.
    »Kochst du mir einen Kakao?«
    »Mach ich. Aber bitte beeil dich!«

    Ihre Mutter verließ das Zimmer. Die Ankunft von Tante Hulda hatte sie anscheinend dermaßen beschäftigt, dass sie Maike noch nicht einmal einen Gutenmorgenkuss gegeben hatte, was sie gestern und vorgestern getan hatte und was jedes Mal gefährlich gewesen war. Maike hatte mir nämlich erzählt, dass ihre Mutter sich manchmal noch fünf Minuten zu ihr legte und sie in den Arm nahm, und das ging ja nun gar nicht. So viel Platz hatten wir im Bett zu dritt wirklich nicht.
    Aber es war ja noch einmal alles gut gegangen.
    Ich sprang aus dem Fenster, verschwand im Gebüsch und beeilte mich fürchterlich. Bereits nach zwei Minuten war ich zurück im Kinderzimmer und legte mich still und brav aufs Bett. Die Angst vor Tante Hulda saß auch mir schon hinter den Schlappohren, obwohl ich sie gar nicht kannte.
    Nach dem Frühstück begann Maike maulend, die Klamotten und die Dinge, die sie unbedingt brauchte, ins
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