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Bernie allein unterwegs

Bernie allein unterwegs

Titel: Bernie allein unterwegs
Autoren: Sabine Thiesler
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Kiste!« Aber natürlich hörte sie nur mein Bellen und nicht das, was ich sagte.
    Außerdem begann ich fordernd am Holz zu kratzen.
    Und dann verstand sie.
    »Du bist in der Kiste! Du lieber Himmel, wie bist du denn da hineingekommen? Da drin erstickt man doch!«
    Daran hatte ich noch gar nicht gedacht.
    Sie machte sich an dem Schloss zu schaffen, und ich hoffte inständig, dass es ihr gelingen würde, die Kiste zu öffnen, ohne dass sie ihre Eltern oder einen der bösen Männer holen musste.
    »Ach, du tote Ratte!«, schimpfte sie, und im ersten Moment dachte ich, sie hätte mich damit gemeint. »Ich krieg diesen blöden Eisenbügel nicht hoch!«
    Ich hätte ihr gerne den Tipp gegeben, dass sie mit einem Schraubenzieher unter den Bügel haken und ihn dann mithilfe des Griffes hochhebeln sollte, so hatte das Paule nämlich immer an unserer Zwingertür gemacht, aber zum Glück kam sie selber drauf, und nach ungefähr zwei Minuten war die Kiste offen.
    Ich weiß nicht, ob ich in meinem Leben schon jemals so glücklich gewesen war wie in diesem Moment.
    Sie hob mich aus der Kiste, drückte und streichelte mich und gab mir ganz viele Küsse auf die Nase. Und ich schleckte ihr vor Dankbarkeit übers Gesicht.
    »Musst du mal pinkeln?«, fragte sie mich, worauf ich kurz bellte.

    Sie öffnete die Schuppentür. Draußen war es bereits dunkel. Sie trug mich hinter den Schuppen und setzte mich ins Gebüsch. Ich machte sofort einen riesengroßen See.
    Dann hob sie mich wieder hoch und sah mich an. »Tut mir leid, dass ich dich so lange im Schuppen gelassen habe, aber mein Vater und mein Onkel haben frisch gepflanzte Bäume an dicken Pfählen festgebunden, damit sie bei Sturm nicht umgeweht werden, und ich musste warten, bis sie fertig waren, damit sie dich nicht sehen.«
    Das waren also gar keine bösen Männer gewesen, und ich hatte mir völlig umsonst Sorgen gemacht.
    »Du bist sooo süß«, flüsterte sie weiter. »Ich würde dich so gern behalten, aber ich weiß nicht, ob meine Eltern das erlauben. «
    Mama hatte also recht gehabt, als sie gesagt hatte, ich solle mich an kleine Kinder halten. Kinder mochten Hunde und waren einfach von Natur aus freundlich.
    Dann sagte sie: »Du musst jetzt ganz leise sein. Bitte nicht bellen oder so. Komm mit, in mein Zimmer.«
    Sie hatte ja gar keine Ahnung, wie leise ich sein konnte!
    Sie rannte los, und ich rannte hinter ihr her.
    Ich bremste scharf, als sie die Haustür aufriss und in der Diele kurz innehielt, als würde sie sich vergewissern, dass ihre Eltern nicht in der Nähe waren. Dann stürmte sie zu ihrem Zimmer und riss die Tür auf.
    Ich sah mich staunend um.
    Überall Tiere! An den Wänden Poster von Pferden, Kaninchen, Katzen, Pinguinen und Hundewelpen. Winzige Möpse,
alle nebeneinander auf einer Couch, die erstaunt in die Kamera guckten. Vor dem Fenster eine Gardine mit einem riesigen Löwenkopf.
    Aber der Hammer war das Bett. Auf der Tagesdecke saß ein ganzer Zoo von Kuscheltieren: Elefanten, Löwen, Giraffen, Esel, Pferde, Schildkröten, Eisbären, Robben, Katzen, Affen und zwei Hunde – ein Schäferhund und wahrhaftig auch ein Bernhardiner. Er sah aus wie mein Vater Hugo, mit einer traumhaft gleichmäßigen, großen schwarzen Maske.
    Das Mädchen wohnte also in einem Meer von Tieren, und ich fragte mich, wie sie nachts überhaupt schlafen konnte. Es war ja unglaublich viel Arbeit, die Tiere abends alle auf die Erde zu setzen.
    Ich hockte ganz brav an der Tür und sah das Mädchen abwartend an. Zu gerne hätte ich gewusst, wie sie hieß.
    Plötzlich rief jemand mit schriller, sehr lauter Stimme, dass es durch das ganze Haus schallte: »Maaaiiike!!!«
    Aha. Sie hieß also Maike. Ich fand den Namen toll. Und wenn ich sie so ansah mit ihrem kurzen blonden Haar, das stumpf und stufig geschnitten war und wüst vom Kopf abstand, konnte sie gar nicht anders heißen.
    »Warte auf mich. Ich geh mal kurz gucken, was meine Mutter will.«
    Damit verschwand sie und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Hoffentlich dachte sie daran, mir etwas zu fressen und zu saufen mitzubringen, wenn sie zurückkam. Mir war übel vor Hunger, und ich fühlte mich schon ganz schlapp. Lange würde ich ohne Fressen nicht mehr durchhalten, das war mir klar.

    Ich lief zum Bett und stupste den Bernhardiner an. Er war weich und flauschig, und ich hatte Lust, mit ihm zu spielen und ihn durch die Luft zu werfen, aber ich ließ es bleiben. Es war jetzt wichtiger, etwas zu fressen zu suchen. Vielleicht
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