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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
Autoren: Philip Kerr
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sagte er. «Du hast mein Wort drauf, daß es 'ne unheimliche Menge von Leuten gibt, die gutes Geld dafür zahlen würden, wenn sie das in die Finger kriegten, was ich habe.»
    «Was steht denn drin, in diesen Papieren?» Er atmete flacher als ein Mädchen vom Titelblatt des Junggesellen.
    «Ich weiß es nicht genau », flüsterte er. «Namen, Adressen, Informationen. Aber du bist doch ein schlaues Kerlchen, du könntest was damit anfangen.»
    «Du hast sie nicht hier, oder? »
    «Sei nicht blöde», keuchte er. «Sie sind m Sicherheit, draußen.» Ich nahm die Zigarette aus seinen Lippen und warf sie auf den Boden. Dann gab ich ihm meine Halbgerauchte.
    «Wär 'ne Schande, wenn sie nie benutzt würden», sagte
    er atemlos. «Du bist gut gut zu mir gewesen. Also werd
    ich dir einen Gefallen tun Bring sie zum Schwitzen, willst
    du? Die Sache ist ... 'ne Wagenladung ... Kies ... für dich wert ... draußen.» Ich beugte mich vor, um ihn zu verstehen. «Mach ... mach sie fertig.» Seine Augenlider flackerten. Ich packte ihn bei den Schultern und versuchte, ihn ins Bewußtsein zurückzuschütteln, zurück ins Leben.
    Ich kniete einige Zeit neben ihm. In dem kleinen Winkel meines Inneren, wo es noch Gefühle gab, breitete sich das schreckliche und erschreckende Gefühl aus, preisgegeben zu sein. Mutschmann war jünger und auch kräftiger gewesen als ich. Es war nicht schwer, sich auszumalen, wie ich selber einer Krankheit erlag. Ich hatte an Gewicht verloren, ich hatte bösartige Bandwürmer, und meine künstlichen Zähne wackelten. Heydrichs Mann, SS-Oberschütze Bürger, hatte die Aufsicht über die Tischlerwerkstatt, und ich fragte mich, was mir wohl zustoßen würde, wenn ich spornstreichs zu ihm gehen und ihm das Schlüsselwort nennen würde, das mich aus Dachau rausbringen würde. Was würde Heydrich mit mir machen, wenn er entdeckte, daß ich nicht wußte, wo sich von Greis' Papiere befanden? Mich zurückschikken? Mich hinrichten lassen? Und wenn ich nicht sang, könnte es ihm sogar in den Sinn kommen, daß ich keinen Erfolg gehabt hatte und er mich rausholen müsse? Nach meiner kurzen Unterhaltung mit Heydrich und dem wenigen, was ich von ihm gehört hatte, schien das unwahrscheinlich. So nahe am Ziel und im letzten Augenblick gescheitert zu sein war mehr, als ich ertragen konnte.
    Nach einer Weile griff ich nach der Decke und zog sie über Mutschmanns gelbes Gesicht. Ein Bleistiftstummel fiel zu Boden, und ich blickte ihn einige Sekunden an, bevor ein Gedanke in mir aufblitzte und ich noch einmal Hoffnung schöpfte. Ich schlug die Decke zurück. Seine Hände waren zu Fäusten geballt. Eine nach der anderen drückte ich sie auf. In Mutschmanns linker Hand war ein Stück braunes Papier, wie es die Gefangenen in der Schusterwerkstatt benutzten, um die reparierten Schuhe der SS-Wachen einzuwickeln. Ich hatte solche Angst, es könne nichts draufstehen, daß ich das Papier nicht sofort entfaltete. Es stellte sich heraus, daß die Schrift fast unleserlich war, und ich brauchte fast eine Stunde, um den Inhalt zu entziffern. Er lautete: «Fundbüro, Berliner Verkehrsbetriebe, Saarlandstraße. Du hast deine Aktentasche in der Leipziger Straße verloren, irgendwann im Juli. Einfaches braunes Leder mit Messingschloß, Tintenfleck am Griff. Goldene Initialen . Enthält Postkarte aus Amerika. Abenteuerroman Old Surehand von Karl May und Geschäftspapiere. Danke. K. M.» Es war vielleicht die merkwürdigste Rückfahrkarte, die jemand je in Händen hatte.
    19
    Es schien überall von Uniformen zu wimmeln, selbst die Zeitungsverkäufer trugen SA-Mützen und SA-Mäntel. Es war keine Parade, und es gab Unter den Linden bestimmt nichts Jüdisches, das man boykottieren konnte. Vielleicht begriff ich erst jetzt, nach Dachau, wie fest der Nationalsozialismus Deutschland in seiner Gewalt hatte.
    Ich war unterwegs in mein Büro. Ich kam am Innenministerium vorbei, das, absolut unpassend, zwischen der griechischen Botschaft und Schultzes Kunsthandlung lag und von zwei SA- Männern bewacht wurde. Von hier hatte Himmler sein Schreiben über Korruption an Paul Pfarr geschickt. Ein Wagen fuhr vor dem Haupteingang vor, dem zwei Offiziere und ein Mädchen in Uniform entstiegen, in dem ich Marlene Sahm erkannte. Ich blieb stehen und wollte sie gerade begrüßen, als ich es mir anders überlegte. Sie ging an mir vorbei, ohne mich anzusehen. Falls sie mich erkannte, wußte sie es gut zu verbergen. Ich drehte mich um und sah ihr nach, wie sie
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