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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
Autoren: Philip Kerr
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den beiden Männern ins Innere des Gebäudes folgte. Ich schätze, daß ich nicht länger als zwei Minuten dort stand, aber lange genug, um die Aufmerksamkeit eines fetten Mannes mit einem tief in die Stirn gezogenen Hut zu erregen.
    «Papiere", sagte er barsch, und machte sich nicht mal die Mühe, einen Dienstausweis oder eine Gestapomarke vorzuweisen.
    «Wer sagt das? »
    Der Mann näherte sein fettiges, schlecht rasiertes Gesicht dem meinen und zischte: «Ich sag das.»
    «Hören Sie », sagte ich, «Sie sind furchtbar im Irrtum, wenn Sie glauben, daß Sie das besitzen, was man so hübsch eine imponierende Persönlichkeit nennt. Also lassen Sie den Mist, und lassen Sie irgendeine Legitimation sehen.» Er hielt mir einen Sipo-Ausweis unter die Nase. «Ihr Burschen werdet nachlässig », sagte ich und zog meine Papiere heraus. Er riß sie mir aus der Hand, um sie zu prüfen.
    «Was haben Sie hier rumzulungern?»
    «Lungern? Wer lungert rum? » sagte ich. «Ich bin stehengeblieben, um die Architektur zu bewundern.»
    «Warum haben Sie die Offiziere angestarrt, die aus dem Wagen stiegen? »
    «Ich habe die Offiziere nicht angestarrt», sagte ich. «Ich habe dem Mädchen nachgeguckt. Ich liebe Mädchen in Uniform.»
    «Hauen Sie ab", sagte er und warf mir meine Papiere zu.

    Der durchschnittliche Deutsche scheint dazu in der Lage, sich von jedem, der eine Uniform anhat oder irgendein amtliches Abzeichen vorweisen kann, wie Dreck behandeln zu lassen. Wenn ich mich auch als einen einigermaßen typischen Deutschen ansehe, muß ich trotzdem zugeben, daß ich von Natur aus dazu neige, mich gegen die Obrigkeit zu stellen. Ich schätze, Sie werden sagen, für einen ehemaligen Polizisten sei das eine sonderbare Einstellung.
    Auf der Königstraße waren die Sammler für die Winterhilfe in vollem Einsatz, hielten jedem ihre klappernden, kleinen roten Sammelbüchsen unter die Nase, obwohl der November erst ein paar Tage alt war. Anfänglich war die Winterhilfe dazu bestimmt gewesen, die Auswirkungen von Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit eindämmen zu helfen, aber jetzt war sie generell nichts anderes mehr als finanzielle und psychologische Erpressung durch die Partei: Die Winterhilfe ließ die Kassen klingeln, aber, und das war genauso wichtig, sie schuf ein emotionales Klima, in dem die Leute dazu erzogen wurden, zum Wohle des Vaterlandes auf etwas zu verzichten. Jede Woche wurde die Sammlung von einer anderen Organisation durchgeführt, und diesmal waren die Eisenbahner an der Reihe.
    Der einzige Eisenbahner, den ich je mochte, war der Vater von Dagmar, meiner ehemaligen Sekretärin. Ich hatte mir kaum auf die Lippe gebissen und bei einem der Sammler zwanzig Pfennig abgeliefert, als ich ein Stück weiter von einem neuen angesprochen wurde. Das kleine Abzeichen aus Glas, das man für seine Spende erhält, schützt dich weniger vor weiteren Belästigungen, sondern macht dich eher zum vielversprechenden Opfer. Trotzdem, das war es nicht, was mich den Mann, natürlich ein fetter Eisenbahner, verfluchen und beiseite stoßen ließ, sondern die Tatsache, daß ich Dagmar erspähte, die hinter der Opfersäule verschwand, die vor dem Rathaus stand.
    Als sie meine Schritte hörte, drehte sie sich um und sah mich, bevor ich sie erreichte. Wir standen ein wenig verlegen vor dem urnenähnlichen Denkmal, an dem in riesigen weißen Buchstaben das Motto prangte: Spenden Sie für die Winterhilfe.
    « Bernie», sagte sie.
    « Hallo», sagte ich. «Ich hab gerade an dich gedacht.» Ich kam mir ziemlich unbeholfen vor, als ich ihren Arm berührte. «Tat mir leid, das von Johannes zu hören.» Sie lächelte mich tapfer an und schlang ihren braunen Wollschal fester um den Hals.
    «Du hast schwer abgenommen, Bernie. Warst du krank? »
    «Das ist eine lange Geschichte. Hast du Zeit für einen Kaffee? »
    Wir gingen in die Alexanderquelle auf dem Alexanderplatz, wo wir echten Mokka, echte Brötchen mit echter Marmelade und echter Butter bestellten.
    «Es heißt, daß Göring ein neues Verfahren hat, aus Kohle Butter zu machen.»
    «Es sieht nicht so aus, als würde er dann was davon essen.» Ich lachte höflich. «Und in ganz Berlin kriegst du keine Zwiebeln zu kaufen. Vater meint, sie benutzen sie, um Giftgas daraus zu machen für die Japaner, damit die es gegen die Chinesen einsetzen können.»
    Nach einer Weile fragte ich sie, ob sie sich in der Lage fühle, über Johannes zu sprechen.
    «Ich fürchte, da gibt es wirklich nicht viel zu
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