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Berliner Aufklaerung - Roman

Berliner Aufklaerung - Roman

Titel: Berliner Aufklaerung - Roman
Autoren: Thea Dorn
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Seite aus ihren Readern zur Geschlechterdifferenz mehrmals kopiert haben, bis das Gerät seinen Geist aufgab, was Schreiner neuerlich Anlaß zu frauenfeindlichen Ausfällen gab. Letztlich war Petra mit hochrotem Kopf zu Hugo ins Zimmer gestürmt und hatte geschrien, sie würde dieses Schwein kastrieren.
    Es verschaffte Hugo ein wenig Erleichterung, daß der Anschlag auf Schreiner zu aufwendig wirkte, wenn es lediglich darum gegangen wäre, eine Entmannung zu tarnen. Dennoch wurde er das ungute Gefühl nicht los, daß Petra etwas mit der Sache zu tun hatte.
    Petra Uhse dachte nach. Sie dachte über sich nach, und sie dachte über sich als Frau nach. Sie dachte über Hugo nach, dann dachte sie über Hugo als Mann nach. Schließlich dachte sie über sich und Hugo als Frau und Mann nach.
    Ihr Nachname hatte Petra schon früh zu verwirrenden, dialektischen Gedankenfiguren getrieben: ein männlicher Gewaltakt war es gewesen, der ihr das »Uhse« angehängt hatte; ein zweiter männlicher Gewaltakt
könnte sie wieder vom »Uhse« befreien. Ihr Vater Volker Uhse war der erste Gewalttäter gewesen, indem er ihre Mutter Johanna, geborene Peters, nicht nur geschwängert, sondern dann auch noch Frau und Tochter seinen Namen aufgezwungen hatte. Wenn Petra jetzt zum Beispiel Hugo heiratete und sein »Lévi-Brune« annähme, wäre dies ein zweiter männlicher Gewaltakt und: die Erlösung vom ersten. Um diesen gleichermaßen faszinierenden wie gefährlichen Gedanken zu bannen, hatte Petra Uhse Philosophie studiert. Hegel war bis zum heutigen Tage ihre größte philosophische Herausforderung geblieben.
    Hugo wälzte sich unruhig von der einen Seite auf die andere. Petras rechte Hand begann, verdächtig näherzurutschen – wenn er in absehbarer Zeit ein Gespräch mit ihr führen wollte, mußte er sofort damit anfangen. Hugo räusperte sich. »Ähm, was hältst du eigentlich von der Geschichte mit Schreiner?«
    Die Hand ließ sich auf ihrem Weg nicht beirren. »Hugo, laß uns doch jetzt nicht von so nebensächlichen Dingen sprechen.«
    »Ich will aber mit dir darüber reden, jetzt!« Hugo mußte all seine Manneskraft aufbieten, um nicht schwach zu werden. »Es ist wichtig, Petra!«
    »Wieso, hast du vielleicht Schreiner umgebracht? Nicht, daß ich dir das übelnehmen würde.«
    Hugo sank innerlich zusammen. »Nein, Petra, wie kannst du so etwas denken? Aber ich mache mir Sorgen. «
    »Im Grunde finde ich es ziemlich unsubtil von dir, in so einer Situation wie dieser mit langweiligen Institutsgeschichten anzufangen. Bist du überhaupt fähig, etwas für eine Frau zu empfinden? Hast du überhaupt
eine Ahnung davon, was es bedeutet, wenn sich eine Frau einem Mann hingibt?«
    Hugo hatte natürlich keine Ahnung, was es bedeutete, wenn eine Frau sich einem Mann hingab. Er wußte im Augenblick nur, was es bedeutete, wenn ein Mann sich in den Fängen einer potentiellen Mörderin befand.

GESETZESKRAFT
    Die Fensterscheiben waren bis zur Undurchsichtigkeit verschmutzt. Zur Rechtfertigung erklärte Anja, daß dies die Jalousien ersparte. Die wenigen Sonnenstrahlen, die doch einen Weg durch das Glas gefunden hatten, zielten durch den im Zimmer tanzenden Staub auf Anjas Nase. Vergeblich. Anja schlief, und ihr Schlaf war außer Hektor das einzige, worauf sie sich in dieser morschen Welt verlassen konnte.
    Das Telefon – graues Post-Standardmodell von neunzehnhundertfünfundsiebzig – röhrte heiser, bis es vom Anrufbeantworter erlöst wurde. »Hier ist der Anrufbeantworter von Anja Abakowitz und Ulf Laumers. Wer uns was zu sagen hat, soll das tun.«
    Nach dem langgezogenen Fiepton herrschte einen Moment Stille.
    »Ich bin’s, Rebecca. Anja, wenn du da bist, geh bitte ran. Es ist dringend.«
    Der Kissenberg geriet langsam in Bewegung. Mit leisem Stöhnen befreite Anja ihren rechten Arm aus dem Federzeug und ließ ihn neben der Matratze auf den Boden fallen, wo er den vollen Aschenbecher traf.
    »Anja, bitte, es ist dringend.« Rebeccas extrem nervöse, aber dennoch unverkennbare Stimme aus Richtung Anrufbeantworter beschleunigte Anjas Wiederbelebungsprozeß. Sie zog ihre Hand aus dem Aschenbecher und tastete mit geschlossenen Augen nach dem Telefon. »Sag mal, wird das jetzt’ne Dauereinrichtung,
daß du meinen Weckdienst spielst? Nur weil du ’ne Frühaufsteherin – «
    »Anja, ich bin verhaftet.«
    Vor Überraschung öffnete Anja die Augen. »Wie bitte? «
    »Die Herren von der Kriminalpolizei hier meinen, ich hätte Schreiner
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