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Berlin blutrot

Berlin blutrot

Titel: Berlin blutrot
Autoren: u.a. Sebastian Fitzek
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arbeitete, über sein laufendes Projekt. Während sie über ein paar gemeinsame Bekannte in der Filmbranche lästerten, beobachtete sie den jungen Mann an der Theke. Ja, er passt gut in meinen Plan.
    Sie hatte ganz schön getrunken. Drei Gläser Champagner in kurzer Zeit waren eindeutig zuviel. Wenn sie so weitermachte, würde sie bald sternhagelvoll sein. Das war absolut nicht in ihrem Sinn. Sie ging zur Theke, um sich ein großes Glas Leitungswasser zu holen.
    Bald spürte sie seinen Blick.
    Unvermittelt drehte sie sich zu ihm und schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. Er lächelte zurück und stellte sich an der Theke neben sie. Er fragte sie, ob er ihr ein Getränk besorgen dürfe. Natürlich durfte er.
    Sie bemerkte, wie seine Blicke von der Seite ihren Hintern in dem engen Rock streiften. Ihr knappes Shirt ließ ihre Brüste in dem tiefen Ausschnitt voller erscheinen, als sie tatsächlich waren.
    „Was machst du so?“, fragte sie ihn und strich eine lange Strähne ihres glatten schwarzen Haares hinters Ohr.
    „Ich unterhalte mich mit dir.“ Er grinste unsicher. „Endlich jemand, mit dem ich reden kann. Kenne kaum Jemanden hier.“
    „Ich meinte, was machst du beruflich?“
    „Ich studiere noch.“
    Himmel hilf, dachte sie. Ein Student! Wahrscheinlich ist er zwanzig Jahre jünger als ich. Aber die Gelegenheit, ihn zu benutzen, ist einfach zu gut.
    „Und was?“, heuchelte sie Interesse.
    „Schauspiel an der Medienakademie Brandenburg.“
    Davon hatte sie noch nie gehört. Aber sie kannte sowieso nicht alle Ausbildungsstätten für darstellende Künstler, nicht einmal die in Berlin. „In welchem Semester?“
    Sie näherte sich ihm unmerklich und erkannte seinen Duft: Acqua di Parma. Darüber wunderte sie sich. Zuletzt hatte sie den italienischen Duft-Klassiker an ihrem verstorbenen Schwiegervater gerochen. Sie mochte die zitronenfrische Note, fand aber, er passte nicht richtig zu einem Studenten.
    „Im fünften. Nächstes Jahr bin ich fertig.“
    „Und dann?“
    „Will ich spielen.“ Seine blauen Augen ruhten auf ihr.
    „Wirklich?“
    „Ich heiße übrigens Frank.“
    Er hielt ihre Hand ein paar Sekunden länger als notwendig.
    „Tatjana.“
    Sie schloss im Geheimen eine Wette mit sich selbst ab. Erzähl mir, wer du wirklich bist! Gab er eine schlagfertige oder originelle Antwort, die sie überraschte, würde sie ihn mit ein wenig Small Talk abfertigen. Entgegnete er aber unbekümmert naiv, würde sie ihm anbieten, die Nacht mit ihr zu verbringen. Mit so einem bin ich auf der sicheren Seite.
    Er überlegte und wurde rot. „Wer ich wirklich bin? Ich bin ein sehr liebesbedürftiger Mensch. Ich liebe gern, aber ich muss auch dauernd geliebt werden.“ Er zögerte. „Und du?“
    Tatjana sagte nachdenklich: „Ich musste mich zu lange damit abfinden, dass es gewisse Dinge in meinem Leben gibt, die ich zwar erleben möchte, mich aber dann doch nicht traue.“
    „Oh, ich bin sehr vertrauenswürdig.“
    Dann prusteten beide laut los, und sie fragte: „Bleibst du noch oder gehen wir jetzt?“
    Er legte seine Hand auf ihren Arm und sagte: „Lass uns gehen.“
    Ihr junger Liebhaber war eingeschlafen, aber sie lag noch hellwach neben ihm und ließ die Ereignisse des vergangenen Tages Revue passieren. Als sie am Morgen ein Handy auf dem Weg zum Filmset im Taxi fand, war ihr das wie ein Wink des Schicksals erschienen. Lange schon hatte sie auf eine Gelegenheit gewartet, die es ihr ermöglichte, den entscheidenden Schritt zu wagen. Nun war es endlich so weit. Sie würde Stefan die bereits hundertmal im Kopf vorformulierte SMS-Botschaft zukommen lassen. Der Besitzer hatte den Verlust seines Handys offenbar noch nicht bemerkt. Es war in Funktion, freigeschaltet und ungesperrt.
    Mit zitternden Fingern tippte sie Stefans Nummer und dann den kurzen Text ein. „Ihre Frau betrügt Sie. Überraschen Sie sie. Ein Freund.“ Nach einem nur kurzen Zögern drückte sie entschlossen auf SENDEN und ließ das Handy in einer Mülltonne in der Mommsenstraße verschwinden.
    Sechzehn Jahre lang war sie Stefan treu gewesen, inklusive der beiden Jahre vor ihrer Heirat. Dafür hasste sie sich jetzt geradezu. Bald bin ich endlich frei. Sie würde ihren Plan noch heute durchziehen. Dafür kannte sie Stefan und sein Verhalten nur zu gut: Er würde noch in derselben Nacht nach Berlin zurück kommen und sie zur Rede stellen. Alles würde wie Notwehr aussehen.
    Ein schlechtes Gewissen hatte sie nicht. Freiwillig würde er mich nie
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