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Bergrichters Erdenwallen

Bergrichters Erdenwallen

Titel: Bergrichters Erdenwallen
Autoren: Arthur Achleitner
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Kammer geschlichen und ihr Dirnen habt fest geschlafen. Zum Hohn und Spott hat der Seppel dir den Strohkranz auf den Kopf gelegt, den du beim Erwachen vorgefunden hast.“
    „Sall ischt richtig! Ich bitt', gnä' Herr, verzählen Sie's nicht weiter, die Schand' ischt zu groß!“ bat die Dirne flehentlich.
    „Schon gut! Vom Einbruch hast du nichts wahrgenommen?“
    „Nichts, gnä' Herr!“
    Das Verhör der Stalldirne ergab nur die Bestätigung, daß der Strohkranz vorgefunden wurde. Vom Einbrecher selbst fehlt jede Spur. Die Untersuchung wie das Protokoll wurden geschlossen und die Gerichtskommission verließ den Hemmernmooshof und dessen laut um sein verlorenes Geld jammernden Besitzer.
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    In seiner kahlen, dürftig mit den allernotwendigsten Geräten, wie Tisch, Stuhl, kleines Waschservice und Aktenständer möblierten Kanzlei im kleinen Gerichtsgebäude des Bergstädtchens präparierte der Bezirksrichter Ehrenstraßer sorgfältig die zu Amt gebrachten, ausgehobenen Spuren, die inzwischen eingetrocknet sind, doch die Nägel und Schuheiseneindrücke deutlich zeigen. Sie werden dem Akt einverleibt, der nun ruhen muß, bis der berühmte Zufall seine ersehnte Rolle zu spielen beliebt. Schon wollte der Richter den Akt dem Rubrum „Buchstabe A“ einverleiben, da fiel Ehrenstraßer ein, die Angelegenheit doch nicht mit der heutigen, nahezu ergebnislosen Untersuchung auf sich beruhen zu lassen. Der Amtsdiener Perathoner, ein kugelrundes Männchen, das in der Körperfülle im schreienden Gegensatz zur mageren Gage stand, erhielt Befehl, den Gendarmeriewachtmeister zu holen, und geschäftig wie immer, eilte der Diener zur Kaserne.
    Ehrenstraßer erledigte inzwischen einen Citoakt in seiner ruhigen, gewissenhaften Weise. So still ist's in dem kahlen, schlechtgetünchten Raum, daß das Kritzeln der Feder auf dem ziemlich rauhen Aktenpapier, sowie das Summen einiger nach Freiheit lüsternen Fliegen an den geschlossenen, vorhanglosen Fenstern das einzige Geräusch geben.
    Ganz in die Arbeit versunken, überhörte der Richter das leise Klopfen sowie das Aufklinken des Thürschlosses. Erst als eine silberhelle Mädchenstimme rief: „Lieber Papa!“ hob Ehrenstraßer den Kopf und blickte auf.
    „Ah, mein Herzensschatz! Tritt nur ein, Emmy! Was führt dich zur Amtszeit zu mir?“
    Verlegen, lieblich errötend steht die etwa zwanzigjährige blonde Tochter aus erster Ehe vor dem Papa, eine hübsche Erscheinung, und in der Kopfbildung wie in den Augen von unverkennbarer Ähnlichkeit mit dem Vater. Ob der leisen Rüge, die Emmy in der Frage Papas sogleich empfand, bat die Tochter, das Eindringen in die Kanzlei zur Amtszeit gütigst entschuldigen zu wollen.
    „Schon gut, Emmy! Du weißt, daß ich während der Amtsstunden ausschließlich meinem Berufe angehöre und hier Störungen in Privatangelegenheiten vermieden wissen will. Es muß sonach deinem Besuch ein besonderes Ereignis zu Grunde liegen! Sprich, mein Kind: Was führt dich hierher?“
    Ehrenstraßer hatte sich erhoben und trat seiner Tochter näher, die plötzlich die Arme ausbreitete, dem überraschten Vater um den Hals fiel und an seiner Brust zu weinen begann.
    „Emmy Kind! Was soll denn das bedeuten?“
    Unter Thränen schluchzte die Tochter: „Verzeih, lieber Papa! Laß mich weinen an deiner treuen Vaterbrust!“
    „Um Gotteswillen! Was bewegt dich so sehr? Was ischt denn vorgefallen?“
    Das Mädchen erbebte und weinte heftig, ohne eine Antwort zu geben.
    Forschend richtete der Richter seine scharfen Blicke auf die Tochter, deren Verhalten ihm völlig unfaßbar erscheint.
    „Hat es zu Hause Verdruß gegeben, Emmy?“
    Die Tochter schüttelte den Blondkopf.
    „Ischt dir jemand zu nahe getreten? Ich kann das bei den ruhigen Verhältnissen in unserm Städtchen nicht glauben. Sprich, mein Kind! Und vergiß nicht: Ich bin zur Arbeit hier verpflichtet! Sprich!“
    „Ich kann nicht, lieber Papa!“ stammelte Emmy.
    „O, Weiber! Widerspruch über Widerspruch! Da kommst du mir in die Kanzlei in einem Zustande, der an Fassungslosigkeit grenzt, suchst eine Aussprache mit deinem Vater und nun du reden darfst, und sollst, heißt es: Ich kann nicht reden! Das verstehe, wer will; ich verstehe es nicht!“
    „Verzeihe, guter, lieber Papa!“
    Der Richter wurde stutzig und wiederholte die Worte: „Verzeihe, guter, lieber Papa! Das klingt gewissermaßen verdächtig! Ist im Herzkämmerchen etwas nicht in der Alltagsordnung, was?“
    In großer Verwirrung flüsterte Emmy
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