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Berger, Fabian

Berger, Fabian

Titel: Berger, Fabian
Autoren: Tiefschlaf
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schockiert hatte. Vollmer saß an seinem Platz und schrieb an der endgültigen Fassung seines Artikels. Er hatte niemanden in der Redaktion an seinem Wissen teilhaben lassen - nicht einmal Bosch. Alle suchten nach neuen Informationen und Quellen, telefonierten mit angeblichen Experten und forderten offizielle Stellungnahmen von der Polizei und der Stadt. Jan Vollmer hingegen hatte die Ereignisse der letzten Tage niedergeschrieben und dank Lorenz auf sämtliche Ermittlungsberichte zugreifen können. Er war seinen Kollegen weit voraus. Nur er konnte eine Verbindung zwischen der Mordserie, dem Institut und HARDCOMP nachweisen. Er war im Besitz eines Fotos von dem toten Leibwächter, der vermutlich für die Morde verantwortlich war. Lediglich die Tatsache, dass Imhoff und Braun einen menschlichen Quantencomputer entwickelt hatten, konnte er nicht belegen. Trotzdem war er sich sicher, dass sein Artikel einschlagen würde.
    Überraschend betrat Bernd Sattler die Redaktion. Er war einer der fünf Verlagsleiter des Kölner Blatt und steuerte geradewegs auf Vollmers Schreibtisch zu. »Ich möchte Sie kurz unter vier Augen sprechen.«
    Erschrocken sah Vollmer auf, erhob sich von seinem Platz und folgte dem Verlagsleiter in Boschs Büro. Erst da bemerkte er, dass sein Chef gar nicht da war.
    Sattler kam sofort zur Sache. »Wie Sie vielleicht bemerkt haben, ist Herr Bosch seit gestern nicht mehr in der Redaktion erschienen.«
    Vollmer zuckte ahnungslos mit den Schultern. Er war die letzten Tage dermaßen in seine Geschichte vertieft gewesen, dass er nichts anderes um sich herum wahrgenommen hatte.
    Sattler fuhr fort. »Bosch hat mir erzählt, dass Sie über seinen Gesundheitszustand Bescheid wissen.« Er senkte betroffen den Kopf. »Die Ärzte sagen, dass es mit ihm zu Ende geht.«
    Vollmer schluckte. Er hatte nicht erwartet, dass es schon so bald sein würde.
    »Sie sind der Einzige, den er eingeweiht hat. Nicht einmal ich habe davon gewusst. Sie können sich also vorstellen, wie schockiert ich war, als ich davon erfuhr.«
    Vollmer nickte zögerlich.
    »Jedenfalls hat er mir gestern telefonisch mitgeteilt, dass er der Redaktion nicht mehr zur Verfügung steht. Er möchte die letzten Wochen gemeinsam mit seiner Frau verbringen und ein paar Dinge erledigen, die er bisher vor sich hergeschoben hat«, erklärte Sattler.
    »Merkwürdig, er machte bei unserem letzten Gespräch nicht den Eindruck, dass er so kurzfristig aussteigen wollte. Was hat ihn denn zu dieser Entscheidung bewogen?«
    »Bis gestern wusste er es selbst noch nicht. Offenbar hegte er noch gewisse Hoffnungen. Er sprach von einer neuartigen Therapie, der er sich in den kommenden Tagen unterziehen wollte. Doch leider hat sich diese Möglichkeit aus irgendeinem Grund nicht mehr ergeben. Die Behandlung würde sich auf unbestimmte Zeit verschieben und er wusste nicht, ob er sie noch erleben würde.«
    Vollmer wurde hellhörig. Er ahnte nur zu gut, worum es sich dabei handelte. Ihm wurde flau. »Eine neuartige Therapie? Von wem sollte sie durchgeführt werden?«
    »Das hat er nicht erwähnt. Aber kommen wir zum Punkt. Bosch hat sich stets positiv über Sie geäußert. Er hat mir den Vorschlag unterbreitet, dass Sie zunächst seine Vertretung übernehmen. Vorausgesetzt Sie haben Interesse an dem Posten des Chefredakteurs. Was halten Sie davon?«
    »Ich weiß nicht, ob ich das Angebot annehmen kann.«
    Sattler hob die Brauen und sah Vollmer erstaunt an. Er hatte offenbar mit einer festen Zusage gerechnet.
    »Geben Sie mir ein wenig Bedenkzeit.«
    »Einverstanden.« Der Verlagsleiter reichte ihm die Hand. »Aber überlegen Sie nicht zu lange.«
    Nachdem Sattler gegangen war, verließ auch Vollmer das Büro, um frische Luft zu schnappen. Auf der einen Seite freute er sich darüber, dass Bosch so große Stücke auf ihn hielt, und er tatsächlich nun die Möglichkeit hatte, seine Karriere voranzutreiben. Zum anderen fühlte er sich mit verantwortlich dafür, dass die letzte Hoffnung seines Chefs durch die Aufklärung des Falls und den Tod von Professor Braun zunichtegemacht worden war. Er erinnerte sich an ihr letztes Gespräch. Bosch hatte dabei fast wehmütig auf ihn gewirkt. Es ist nie zu spät, etwas aus seinem Leben zu machen. Und wenn ich Leben sage, dann meine ich nicht den verfluchten Job. Genießen Sie die Zeit, die Ihnen noch bleibt .
    Er kehrte in die Redaktion zurück und setzte sich an seinen Schreibtisch. Nach einem letzten prüfenden Blick auf den Artikel hob er
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