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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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einen Stock gespießten, mageren Tieres tropften ins Feuer. Als er mit bloßen Händen jedes sehnige Stück abgerupft, sich Bissen für Bissen in den Mund gesteckt und das ganze Tier verzehrt hatte, knüllte er seinen Regenmantel zu einem Kissen zusammen und legte sich hin, um die Flammen zu betrachten. Der Mantel roch nach fremden Ländern, nach Schlamm und ganz leicht nach Chlor. Die Finsternis hinter dem Feuer wurde durch ihre Nähe zu den Flammen noch verstärkt, und die Stämme der nahen Bäume zuckten im flackernden Licht. Er überlegte, wie viele Tage seit seiner Ankunft in Australien verstrichen waren. Vier? Fünf? Unter ihm befand sich der dichte Kern der sich drehenden Erde, der sich über Tausende von Kilometern erstreckte. Er stellte sich dort unten lodernde Feuer vor, das Quietschen von Metall, die Kobolde und Teufel mit ihrer seltsamen Arbeit.
    Irgendwas drängte sich durch das nahe Gestrüpp. Er richtete sich auf, fuchtelte mit seinem Revolver und wartete auf das Schnüffeln eines Wombats oder den heiseren Schrei einer Beutelratte, doch es kam nichts. Dann, gedämpft, vertäut im Nebel seiner Schwerhörigkeit, das Knacken eines Zweiges. Er hob die Waffe und wartete mehrere Minuten. Der Trottel Fitch war ihm doch nicht etwa gefolgt? Hatte er jemandem von ihrer Begegnung erzählt? Quinn legte den Kopf schief, um erst mit dem einen und dann mit dem anderen Ohr zu lauschen, doch er hörte nichts mehr. Wahrscheinlich ein Känguru.
    Nach einer halben Stunde entspannte er sich und legte sich schlafen. Aber mitten in der Nacht, als das Feuer nur noch aus Glut bestand und die Welt ansonsten still war, hörte er den fernen Hall der Artillerie, kaum lauter als ein Herzschlag, ganz wie er es erwartet hatte. Und dann tief aus seinen Träumen den Klang des Gongs.
    Er wachte sofort auf und tastete nach seiner baumwollenen Umhängetasche, die normalerweise direkt neben ihm lag, doch aus irgendeinem Grund nicht in dieser Nacht. Verdammt. Verdammt. Er wurde langsam nachlässig, und nachlässige Soldaten sterben. Im kargen Mondlicht war es schwer, etwas zu erkennen. Die Nacht war ungewöhnlich warm. Er bemühte sich, ruhig und nah am Boden zu bleiben, seine Bewegungen und die Atmung auf ein Minimum zu beschränken, wie er es gelernt hatte. Er erblickte die Tasche, die halb unter seinem Mantel verborgen war. Gas, Gas, Gas, Gas, Gas . Wenn man es schmeckt, ist es schon zu spät. Seine fahrigen Finger, blass wie Nachtfalter. Der Stoffriemen hing irgendwo fest. Herrgott. Vergeblich zog er daran. Ein Stein drückte sich in sein Knie. Er durchwühlte die Tasche und streifte sich die Maske übers Gesicht – die Riemen über den Hinterkopf, das Ganze fest auf die Nasenlöcher, dann das Gummimundstück. Nur durch den Mund atmen. Immer die Angst, die Maske habe nicht die richtige Größe oder er habe sich in der Eile die falsche geschnappt und würde am Ende tot und aufgedunsen daliegen wie dieser arme Kerl aus Melbourne, mit dem Gesicht im Schlamm. Durch die Schutzbrille sah die Welt staubbedeckt und verschwommen aus. Los, los, los . Das Innere der Maske stank nach Gummi und Schweiß, nach seiner zerfaserten Lunge. Gott steh mir bei, dachte er. Gott steh mir bei. In der Hocke, so nah wie möglich am Boden bleibend, ließ er die zitternden Hände um die Ränder der Maske gleiten. Er drückte sie in den Kragen seiner Uniformjacke, gegen die weiche Haut an seiner Kehle, sein Kopf jetzt ein Gefäß auf seinem schmalen Körper, abgeschottet von der Welt, geräuschlos, in einem ganz eigenen Klima. Erst dann begriff er. Verdammte Scheiße.
    3 Am nächsten Tag verließ Quinn den kühlen Schatten der Kiefern. Er kämpfte sich durch den Adlerfarn und trockene Schluchten entlang, bahnte sich mit einem Stock einen Weg und zog sich an seinen unbedeckten Körperteilen von den zurückschnellenden Zweigen Kratzer und Risswunden zu. Es war eine vertraute Gegend, und doch kam sie ihm fremd vor, als würde er eine Landschaft aus einem oft gelesenen Buch durchstreifen.
    Sorgfältig darauf achtend, dass er ungesehen blieb, kauerte er im Buschland, das den Besitz seines Vaters umgab. Er wusste, wenn er sich nicht bewegte, war er perfekt getarnt. Hier unten war es in Ermangelung eines kühlen Lüftchens viel heißer. Unsichtbare Insekten stachen ihn in Knöchel und Unterarme. Das Haus sah unverändert aus, errichtet aus Stein und Holz, den typischen Materialien des Landes, auf dem es stand. Auf drei Seiten befand sich eine von Büschen und Blumen
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