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Beraubt: Roman

Beraubt: Roman

Titel: Beraubt: Roman
Autoren: Womersley Chris , Thomas Gunkel
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sie versucht hatte, sich seiner noch vor der Geburt zu entledigen. »So was darf man nicht sagen«, ermahnte ihn Quinn.
    »Bei Sully behaupten alle, dass Gott nicht existiert. Dass er tot ist, ob Sie’s glauben oder nicht, wegen dem Krieg und allem.«
    »Und woher wissen sie das?«
    Edward Fitch grinste. Offenbar war das die Reaktion, die er sich die ganze Zeit gewünscht hatte.
    »Was ist mit dem Kreuz, das Sie um den Hals tragen?«, fragte Quinn.
    »Das hat keine Bedeutung. Hab ich gefunden.«
    »Warum tragen Sie’s dann?«
    Edward warf ihm einen mürrischen, vorwurfsvollen Blick zu. »Weil’s mir gefällt.«
    »Wie auch immer«, sagte Quinn kopfschüttelnd, in der Hoffnung, sein Missfallen zum Ausdruck gebracht zu haben, »ich muss weiter. Auf Wiedersehen. Viel Glück.«
    »Wollen Sie nicht vorher ein Kaninchen kaufen?«
    »Ich hab kein Geld.«
    Edward band eins der blutigen Tiere los und hielt es ihm hin. Außer nach frisch erlegten Kaninchen stank er noch nach saurer Milch. »Egal. Nehmen Sie’s. Ein Geschenk.«
    Quinn zögerte. Seine Sandwiches hatte er fast alle gegessen; ein bisschen Fleisch wäre tatsächlich wunderbar. Schon bei dem Gedanken lief ihm das Wasser im Mund zusammen. »Danke.« Er nahm das schlaffe Tier.
    »Schon in Ordnung, Mann.« Edward leckte sich die Lippen und betrachtete ihn. »Ich hab Sie erst gar nicht erkannt. Sie haben sich ziemlich verändert. Und nicht nur wegen diesem Ding da an Ihrem Mund.«
    Quinns Zunge verwandelte sich in Watte. Er hätte sich mit diesem Trottel auf kein Gespräch einlassen sollen. Er hätte sich sofort verabschieden sollen. Doch jetzt war es zu spät. Sein Revolver fiel ihm wieder ein.
    »Hätte nicht gedacht, dass Sie sich hier noch mal blicken lassen, Quinn Walker«, sagte Edward anscheinend ohne Bosheit und nickte verständig, während er die in seinem Kopf gespeicherten Fakten durchging. »Nicht nach dem, was passiert ist.« Eine Pause trat ein. »Der 5 . Juli 1909 . Richtig heftiger Regen. Ein Samstag – nein, Moment – Sonntag. Es war ein Sonntag.«
    Quinn erinnerte sich an den peitschenden Regen an jenem Schreckenstag, an das Zucken des Blitzes, einen roten Schuh im Dreck. Angesichts der ungebetenen Bilder zuckte er zusammen. Ungläubig ließ er die Hand über sein schweißnasses Gesicht gleiten und verfluchte sein Pech, nach all der Mühe, die er sich gemacht hatte, den Leuten, die ihn erkennen könnten, auszuweichen, nun diesem Trottel Fitch auf einem sonst unbenutzten Pfad zu begegnen.
    Edward band sein Bündel Kaninchen wieder um. »Aber ich hab keine Angst vor Ihnen.«
    Quinn steckte das tote Tier, das ihm Edward geschenkt hatte, in seinen Tornister und wischte sich die Hände an seiner Uniformjacke ab. Dann wandte er sich zum Gehen. »Sie müssen mich verwechseln, Sir. Ich kenne Sie nicht. Ich bin nur auf der Durchreise …«
    »Erst neulich haben sie von Ihnen gesprochen. Letzten Mittwoch, glaube ich. Es war brennend heiß. Hinter Sullys Werkstatt, und sie sagten, was für ein Leben Ihre arme Mutter hatte, bei all dem …«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Die Leute. Vor Jahren hieß es, Sie wären tot. Das hat Ihre Mum gesagt. Im Krieg. Sie wissen schon, im Krieg gefallen.«
    Quinn hatte von unzähligen Fällen gehört, in denen das Militär Männer als tot oder vermisst gemeldet hatte, obwohl sie in Wirklichkeit gesund und munter waren. Im Chaos des Krieges waren solche Fehler nicht ungewöhnlich; Männer, die für tot gehalten wurden, lagen stattdessen oft in englischen Krankenhäusern, wo man sie zusammenflickte, und tauchten danach wieder bei der Truppe auf. Es ging sogar die Geschichte von einem Burschen um, der zu seiner eigenen Totenwache in Brisbane erschien und fragte: Wer ist denn gestorben?
    »Aber alle sagen, sie würden Sie nur zu gern aufknüpfen, wenn sie Sie noch mal zu Gesicht bekämen«, fuhr Edward Fitch fort. »Sogar Ihr Vater sagt das. Und Ihr Onkel auch. Die würden Sie noch mal umbringen.« Er zerrte an der überschüssigen Haut an seinem Hals, verdrehte die Augen und ließ die Zunge heraushängen, um seine Worte zu verdeutlichen.
    »Lebt mein Onkel noch in Flint?«
    »Ja. Klar.«
    Quinn hielt inne. »Und geht’s meiner Mutter gut?«
    Edward verzog das Gesicht. »Sie ist an der Seuche erkrankt. Hier hat’s viele Leute erwischt. Und viele sind dran gestorben. Ginny Reynolds, Solomon Quail …«
    Quinn wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. In den letzten paar Minuten waren ihm das Pochen seines Herzens und der
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