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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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Freude. Ich habe die alte Anlage wieder zum Vorschein gebracht und Neues hinzugefügt.
    Ich säge noch einige Äste aus einem Strauch heraus und werfe sie neben der Villa auf den großen Haufen. Leute kommen den Weg durch die Obstwiese entlang, fremde Gesichter. Was wollen sie hier? Der Pfad ist kein Durchgangsweg, eigentlich ist alles Privatgrund, wenn auch nicht durch Zäune abgesperrt.
    Die Leute gehen langsam an der Villa vorbei, begutachten sie, deuten mit den Fingern auf architektonische Details, schnattern begeistert. Ich richte mich auf, folge ihnen mit giftigen Blicken. Sie registrieren es nacheinander, werden ruhiger, grüßen verhalten und gehen dann zügig über die Auffahrt davon. Mein Blick folgt ihnen so lange, bis sie verschwunden sind. Diese Begegnung lässt einen schalen Nachgeschmack auf meiner Zunge zurück. Schließlich räume ich die Gartengeräte in den Schuppen und gehe nach Hause.
    Mein eigener Garten braucht auch ein bisschen Zuwendung. Das Gras steht hoch, auch wenn es nie wieder so kräftig wächst wie vor dem ersten Mähen. Ich gehe zum Schuppen. Er hat ein großes Fenster, das einmal zu einer Fabrik gehörte, hinter den Scheiben ziehen sich Spinnweben entlang. Ich stoße die knarzende Tür auf. Drinnen ist alles unordentlich und vollgestopft. Die Ordnung, die einmal hier herrschte, manifestiert sich nur noch in den beschrifteten Kästen über der Werkbank und den im Hintergrund aufgehängten Werkzeugen. Ich nehme mir Sense und Rechen, schlage die Tür hastig wieder zu.
    Die Sense ist alt, stammt noch von meinem Großvater. Das Holz glatt gerieben von schwieligen Händen, die Klinge rostig. Ich stelle die Sense auf ihrem Griff ab und beginne das Blatt mit dem Schleifstein zu wetzen, Vorderseite, Rückseite, immer wieder. Das helle, kratzende Geräusch schwingt durch den Garten. Als die Klinge blitzt, trete ich an den Rand der Wiese, beginne zu mähen. Ich mag, wie die hohen Gräser leise umfallen, von einer Bewegung, die so leicht erscheint, ein Gleiten nur. Es macht Spaß. Ich mag das Archaische daran. Schreite zügig voran, Reihe um Reihe fällt. Ich blicke nicht auf, fasse nur die Halme vor mir ins Auge. Mache keinen Lärm. Immer derselbe Schwung, derselbe Rhythmus.
    Bis die Bewegung nicht mehr so leicht erscheint. Ich die Spitze versehentlich in die Erde hacke, ein Bündel Gräser nur platt gedrückt, aber nicht umgemäht ist. Ich halte ein. Mein linker Arm schmerzt, mein Nacken ist verspannt. Ich stelle die Sense ab. Zwischen Daumen und Zeigefinger ist die Haut rot gerieben. Ich kann die Stelle spüren, an der sich eine Blase bilden wird. Ich drehe mich zu dem Stück um, das ich schon geschafft habe. Überblicke dann die Fläche, die noch steht. Eine große Fläche, die sich immer mehr dehnt, desto länger ich verharre und vergleiche.
    Ich weiß, dass es anstrengend ist, und doch lasse ich das Gras lieber wachsen, bis es zu hoch für den Rasenmäher ist. Ich mag den Lärm nicht, das Gemetzel. Ich wollte schon lernen wie man senst als ich noch zu klein war die Sense auch nur zu halten. Ich beobachtete fasziniert die kraftvollen, gleichmäßigen Bewegungen meines Vaters. Bettelte, es lernen zu dürfen. Er hängte die Sense in den Birnbaum, außerhalb meiner Reichweite, und ging wortlos in den Schuppen. Kam mit einem kleinen, selbst gemachten Holzrechen wieder heraus. Er war gerade groß genug für mich. Ich folgte ihm nun und rechte das Heu hinter ihm zusammen. Bis ich groß genug war und er mir das Sensen beibrachte. Von da an wechselten wir uns ab, um die große Wiese zu bewältigen.
    Ich blicke über die Fläche. Jetzt muss ich ohne Hilfe mit dieser Arbeit klarkommen, wie mit allem. Er hat mich damit allein gelassen, mit immer wieder neuen Herausforderungen und unliebsamen Überraschungen. Mit ungehackten Holzstapeln, verstopften Dachrinnen, morschen Dielenbrettern. Ohne sein Wissen, seine kleinen Tricks, seine Erfahrung. Ich musste alles mühsam herausfinden, Fehler in Kauf nehmen. Zurückgreifen auf die lückenhaften Dinge, die er mich gelehrt hatte. Ich schaue hinüber zum Birnbaum. Wenn ich den kleinen Rechen neben dem großen am Stamm lehnen sehe, kann ich nicht wütend auf ihn sein. Ich lasse die Sense wieder kraftvoll durchs Gras gleiten.
    Gegen Abend hat sich die Sonne durchgesetzt. Sie macht die ruhiger gewordene Fläche des Baches zu einem Spiegel warmer Farben, erfasst die Blätter an den Spitzen der Zweige. Ich strecke meine dreckverkrusteten, grasgrünen Füße ins
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