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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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ich rot wurde, warum sagte ich da nichts? Als wir diese Hausarbeit über die Ehe schreiben mussten, warum sprach ich es da nicht an? Als sie mich fragte, ob ich eine Freundin habe, warum erklärte ich da nichts? Sie hätte mir einen Menschen gewünscht, der für mich da ist, eine Schulter zum Anlehnen. Auch eine männliche. Vielleicht. Sie hätte sich damit abgefunden nach einer Weile. Oder diesen Teil von mir abgelehnt, mich abgelehnt. Zu spät, es herauszufinden.
    Mein Hals wird eng. So viele Dinge, für die es zu spät ist, die ich nicht nachholen kann. Ich schließe wieder die Augen, versuche die Gedanken abzuschütteln. Ich rutsche tiefer in die Matte, ein Sonnenstrahl streift mein Gesicht. Heiße Sommertage, laue Abende, ein nackter blasser Jungenkörper zwischen dem hohen Gras. Zwei Körper nah beieinander, ziehen die Hängematte nach unten. Sein Kopf an meiner Schulter, sein Haar an meiner Wange. Seine kühle, präzise Hand schiebt sich in meine Hose. Ich öffne den Mund, ziehe die Luft tief ein. Seine Berührung ist leicht, beherrscht, gewandt. Verwöhnt mich still. Ich gebe mich ganz dem Gefühl hin. Nichts anderes ist wichtig.
    Das gleichmäßige Geräusch weicher Tropfen auf dem Blätterdach dringt in mein Bewusstsein. Ein Tropfen trifft meine Nase, doch ich döse weiter. Davids Gesicht ganz nahe, das Rot seiner Haare vor dem satten feuchten Grün der Bäume. Dann beugt er sich über mich, seine Haare umhüllen unsere Gesichter und er küsst mich. Unsere leicht geöffneten Lippen berühren sich einen intensiven Moment, dann ist er verschwunden.
    Ich spüre, dass mein Gesicht feucht ist, kann nicht verhindern, wach zu werden, aufzutauchen. Der Regen ist durch das schützende Dach gedrungen, große Tropfen fallen schwer von den Blättern. Widerwillig stehe ich auf und ziehe meinen Pullover an. Ich beschließe, mich auf den Heimweg zu machen. Es ist ein wenig abgekühlt, wenn auch nicht wirklich kalt. Auf dem Feldweg angekommen, prasselt der Regen gleichmäßig auf mich nieder. Ein Tropfen fällt von der nassen Strähne in meiner Stirn auf meine Nasenspitze. David hat mich nie geküsst, nicht in Wirklichkeit.
    Es ist an der Zeit abzuschließen mit diesem Jungen, der sich nicht vorstellte, nicht verabschiedete. Der nicht mehr ist als eine betörende, verzauberte Erinnerung. Der mich in einer intensiven Zeit begleitete, aber im entscheidenden Moment nicht da war.
    In dem hinterwäldlerischen Dorf folgen mir jetzt keine Blicke, nur eine Katze sitzt auf einem Fensterbrett, schaut vorwurfsvoll in den Regen, beachtet mich nicht. Ich gehe weiter, erreiche den Wald, nur einzelne Tropfen dringen durch das dichte Dach. Gehe über die Wiese, sehe den Schornstein zwischen den ersten Bäumen. Ich freue mich heimzukommen, als wäre ich tagelang weit weg gewesen. Ich mag, wie intensiv das Grün aussieht, wenn es nass ist, wie alle seine Schattierungen zum Vorschein kommen, wie dunkel diese Farbe in den Schatten der Baumkronen ist.
    Ich gehe die Dorfstraße entlang, fühle mich langsam wie ein begossener Pudel, die Klamotten durchgeweicht, das Haar klatschnass. Der Regen hat fast aufgehört und ich beginne zu frieren. Kein Mensch ist zu sehen, das Dorf wirkt ruhig, fast unbewohnt. Ich fühle mich so am wohlsten. So, wie ich durch die Stadt gegangen bin. Wenn mir keine Blicke folgen, Blicke die ihre Intensität in meinem Kopf um das Hundertfache steigern. Bedeutung erlangen, die sie nicht haben sollten.

    Wenn ich allein bin, kann ich ungestört Details wahrnehmen. Idyllische Zaunecken, ein alter Brunnen, ein blühender Holunder, der sich an eine Hauswand aus Feldsteinen stützt. Der Regen hat seinen herben, intensiven Duft entfaltet. Der leichte Wind trägt ihn zu mir herüber. Ich schaue mich um und weiß, was das Leben mir hier zu bieten hat. Nichts Spektakuläres. Ungebändigte Natur, stille Zufriedenheit. Schönheit, die mein Herz zum Schlagen bringt.
    Ich weiß auch, was es mir hier nicht zu bieten hat. Grenzenlose Möglichkeiten, ungetrübte Freiheit, mangelnde Kontrolle. Hier muss ich wissen, was ich will und dafür kämpfen. Nichts wird selbstverständlich sein. Aber ich werde nicht auf das verzichten, was mir wichtig ist. Werde wissen, dass sich der Kampf lohnt.
    Ich bleibe mitten auf der Dorfstraße stehen, stecke die Hände in die Hosentaschen. Blicke zum Himmel, Störche fliegen über mich hinweg. Ich folge ihnen mit den Augen.
    Schließlich gehe ich langsam weiter, biege ab, sehe mein Haus zwischen dem
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