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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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die Decke. Ein Muskel zuckt neben seinem Mund. Sekt perlt über seine Hände, aber er ignoriert es.
    Ich könnte jetzt sagen, dass ich gestern bei der Villa war. Vielleicht auch, dass ich an ihn gedacht habe, an das Haus am Meer. Dass ich ihn vermisst habe.
    »Warst du am Meer?«, frage ich leise, ohne Vorwurf.
    Der Muskel in seinem Gesicht arbeitet noch immer. Er wischt sich die Hände an einer Serviette ab, schaut mich schließlich an.
    »Ja, das Haus ist traumhaft, aber viel zu tun«, er schaut mir in die Augen. »Das Meer ist am schönsten, wenn es flaschengrün ist.«
    »Nimmst du mich mal mit?«
    Ich war noch nie am Meer. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es grün ist. Ein Messer fällt klirrend zu Boden. Marek bückt sich, hebt es auf. Murmelt etwas wie: »Fahre nicht zum Spaß hin« . Er richtet sich wieder auf, beginnt die Eier mit Mayonnaise zu verrühren. Ich hacke Petersilie klein. » Nimmst du mich mit?« Wieso stelle ich Fragen, die sowieso nicht beantwortet werden? Keiner Antwort würdig sind. Von Anfang an nicht gewollt. Selten ausgesprochen. Ich spüre seinen Blick auf mir ruhen. Höre seine leise Stimme, bevor die Worte zu mir vordringen.
    »Wenn ich wieder fahre, dann vielleicht. Bring doch schon mal das Tablett raus.«
    Er drückt es mir in die Hand. Ich nehme es, ohne ihn anzusehen, gehe hinaus, stolpere fast über die Schwelle. Ich stelle das Tablett vorsichtig auf dem Gartentisch ab, setzte mich ins Gras. Marek kommt lange nicht. Ich lege den Kopf in den Nacken. Ein Sonnenstrahl dringt durch die Blätter des Birnbaums, fächert sich zu einem Stern auf. Ich schließe die Augen. Sehe ihn und mich am Meer stehen. Er steht dicht hinter mir. Das Meer ist flaschengrün, unendlich groß, die tief hängenden Wolken breiten sich bis in die Ferne aus. Ein kräftiger Wind weht uns entgegen, zerzaust unsere Haare. Eine Hand streift meinen Nacken, legt sich leicht auf meine Schulter.
    Marek deckt den Tisch. Ich lasse mich von Brötchenduft anlocken. Kleine Bläschen platzen im Milchschaum, die Sonne glitzert rötlich im Orangensaft. Ich lehne mich zurück. Marek lächelt und ich strahle ihn an. Nehme mir dann Obst und Joghurt, probiere von den Salaten, nippe am Sekt. Wir lassen uns Zeit, genießen es, in der Sonne zu sitzen. Und ich stelle überrascht fest, dass es mir keine Anstrengung mehr bereitet. Dass es mir egal ist, wie spät es schon ist. Dass nur dies hier zählt. Der Vormittag, die Wärme der Sonne, Frühstück im Freien.
    Der Wind trägt das Mittagsläuten vom Kirchturm herüber. Marek wischt sich den Mund ab und wirft die Serviette auf den Tisch, verschränkt zufrieden die Hände hinter dem Kopf. In der aufkommenden Stille, der flirrenden Hitze, breite ich eine Decke unter dem Birnbaum aus. Die Ecken sind noch nicht ganz zu Boden gesunken, da hat Jurek schon eine in Besitz genommen. Marek legt sich hin, ich setze mich auf die verbleibende Ecke, rauche langsam, inhaliere tief. Die Motorsensen sind still, harren auf das Zwei-Uhr-Läuten.
    Getupfte Schatten breiten sich über die bunte Decke, Mareks schlafendes Gesicht. Auf der Seite liegend, mir zugewandt, eine Hand unter dem Kopf. Sein Gesicht ganz entspannt, lässt den Jungen, der er war, erahnen. Ich begehre ihn. Nicht nur seinen Körper und sein schönes Gesicht. Sein Herz, seine Gedanken, seine Zuwendung. Es schmerzt fast. Ich stoße Rauch Richtung Himmel. Die Sonne hat meine Ecke der Decke erreicht. Ich ziehe mein Shirt über den Kopf. Wie wenig wir einander an unserem Leben teilhaben lassen.
    Ich bewache weiter seinen Schlaf und Jureks, die Zigarette längst ausgedrückt. Die Sonne hat Jurek erreicht, färbt sein rostrotes Fell fast blond. Ich sitze ganz ruhig, bis Marek aufwacht, blinzelt, die Hand nach meiner Brust ausstreckt, mit den Fingerspitzen darüber fährt.
    »Worauf hast du heute noch Lust?«, frage ich ihn.
    Er schließt kurz die Augen, schüttelt den Kopf, bemüht wach zu werden: »Endlich zur Villa.«
    Ich bleibe etwas steif sitzen, bewege nur meinen Oberkörper ein kleines Stück zurück, seine Finger verlieren den Kontakt zu meiner Haut. Natürlich, die Villa. Lange vermisst. Noch viel Arbeit. Wie konnte ich die Villa vergessen.
    Er steht auf, reckt sich bis in die Krone des Baumes, steckt mir dann eine Hand entgegen. Ich reagiere nicht.
    »Na, komm schon.«
    Ich ziehe mein Shirt wieder über, stehe auf. Ich folge ihm durch den Garten zur Straße. Marek läuft neben mir, den Blick nach unten gerichtet, geht unsicher. Ich
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