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Benjamin Rootkin - Zeiten voller Zauber, eine Weihnachtsgeschichte

Benjamin Rootkin - Zeiten voller Zauber, eine Weihnachtsgeschichte

Titel: Benjamin Rootkin - Zeiten voller Zauber, eine Weihnachtsgeschichte
Autoren: Rainer Wekwerth
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dem Lebensmittelgeschäft in der Hickory-Street.“ Er hoffte, dass sie den Laden kannte, er war nur zwei Straßen entfernt. „Mrs.Goodman hat von ihrer verzweifelten Situation gehört und sendet ihnen diese Dosen.“
    „Ich kenne Mrs.Goodman, früher habe ich dort eingekauft, dich habe ich aber nie gesehen.“
    „Ich arbeite nur aushilfsweise dort und auch nur jetzt zur Weihnachtszeit. Ich liefere Bestellungen aus.“ Die Lüge ging ihm glatt über die Lippen.
    „Ah ja, und Mrs.Goodman verschenkt neuerdings ihre Waren.“ Ihr Kopf hob sich leicht, und ein sarkastischer Ausdruck spielte um ihre dünnen Lippen.
    Mist, dachte Ben, sie glaubt mir nicht.
    „Nein, aber wie gesagt, sie hat von ihrer Krankheit und dem Unglück ihres Mannes gehört und dass sie ihre Stelle verloren haben. Sie sagt, bis es ihnen besser geht, und sie wieder eine Arbeit haben, können sie anschreiben lassen.“
    Ein erneuter Hustenanfall warf sie zurück aufs Bett. Als er vorüber war, klang ihre Stimme erschöpft.
    „Es ist gut, etwas zu essen zu haben“, sagte sie leise. „Ich glaube, ich werde jetzt ein wenig schlafen.“ Ihre Augen fielen zu.
    Ben zog Andrew zum Eingang der Wohnung.
    „Wenn sie aufwacht, mach ihr etwas zu essen. Sie muss unbedingt essen, denn sie ist sehr schwach. Weißt du, wie man eine Dose öffnet?“
    Andrew nickte heftig.
    „Gut. Koch das Fleisch und sieh zu, dass sie das Obst isst. Am besten alles. Ich muss jetzt gehen.“
    Andrews Hand hielt ihn fest.
    „Warum hast du gelogen?“
    Ben betrachtete den Knirps nachdenklich. Er sah die Bürde der Verantwortung, die die kleinen Schultern niederdrückte.
    „Weil deine Mutter eine sehr traurige Frau ist. Denk nicht mehr darüber nach. Ich komme morgen wieder.“
    Er huschte durch die Tür. Die kühle Luft verdrängte den Geruch der Krankheit. Ben erschauerte durch die plötzliche Kälte, aber irgendwie war da das beruhigende Gefühl, am Leben zu sein.
    Hastig machte er sich auf den Weg zu Mrs.Goodmans Laden.
     

Kapitel 4
     
    Während Ben zurück zum Laden rannte, versuchte er, sich eine glaubwürdige Ausrede für seine lange Abwesenheit einfallen zu lassen. Wie er die Sache mit den fehlenden Konservendosen erklären sollte, bereitete ihm ebenfalls Sorgen. Er war sich zwar sicher, dass Mrs.Goodman ihr Fehlen nicht bemerken würde, aber da sie stets freundlich zu ihm gewesen war, wollte er sie auch nicht bestehlen.
    An der Ecke Hickory-Street und Mallroad blieb er kurz stehen. Mit steifen Fingern wühlte er in seinen Taschen nach der alten Tabakblechdose, in der er seine Ersparnisse herumtrug.
    Ein Shilling und zwölf Pennys kamen zum Vorschein. Nicht gerade viel, aber immerhin, es würde für die Dosen reichen, die Andrew hatte mitgehen lassen. Aber wie die ganze Sache angehen? Mrs.Goodman war eine warmherzige, freundliche Frau, ob sie allerdings Mitleid mit Dieben hatte, war eine ganze andere Frage. Er beschloss, das Geld heimlich in die Kasse zu legen. Vielleicht würde er schriftlich eine kurze, erfundene Erklärung hinzufügen. Irgendetwas würde ihm schon einfallen.
    Als er den Laden wieder betrat, klang das tiefe Lachen des Kutschers aus dem Hinterzimmer. Ben atmete erleichtert auf. Vielleicht hatten sie sein Verschwinden gar nicht bemerkt. Er huschte zu der alten Metallkasse und öffnete sie vorsichtig, so dass das übliche Bing-Bing nicht erklang. Die Kasse war leer. Mrs.Goodman hatte also heute noch keine Einnahmen gehabt. Schnell kritzelte er eine Notiz über den Verkauf von zwei Dosen auf den neben der Kasse liegenden Rechnungsblock und legte das Blatt mit den Münzen in die Kassenschublade.
    Gerade, als er ins Hinterzimmer gehen wollte, wurde die Ladentür geöffnet und Mrs.Goodmans Neffe Will Crandel trat ein. Ein Blick aus wieselhaften Augen traf den Jungen. Ben konnte Will nicht leiden. Er war ihm bisher zwar selten begegnet, aber der zwanzigjährige Mann mit seinem vogelhaften Aussehen und dem aufschneiderischen Gehrock war ihm unheimlich. Er half öfter seiner Tante im Laden aus, allerdings nur, wenn er mal wieder kein Geld hatte, was meistens der Fall war. Seine Spielsucht war selbst Ben bekannt, denn Mrs.Goodman versäumte keine Gelegenheit, Ben zu ermahnen ja die Finger von den Spielkarten zu lassen.
    Will Crandel trug trotz der Kälte keinen Mantel. Als er nähertrat, klackte sein Spazierstock auf die Holzdielen.
    „Was machst du da, Junge?“ fragte er argwöhnisch.
    „Ich ... ich mache gar nichts“, sagte Ben und verfluchte sich
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