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Benjamin Rootkin - Zeiten voller Zauber, eine Weihnachtsgeschichte

Benjamin Rootkin - Zeiten voller Zauber, eine Weihnachtsgeschichte

Titel: Benjamin Rootkin - Zeiten voller Zauber, eine Weihnachtsgeschichte
Autoren: Rainer Wekwerth
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Metallglocke. Mrs.Goodman fasste sich erschrocken ins Haar, versuchte vergeblich, eine locker gewordene Haarspange wieder zu befestigen und seufzte.
    „Ben, mein Junge. Sei bitte so gut und geh vor in den Laden. Wer immer es auch sein mag, sag einfach, ich komme gleich. Mein Gott, so kann ich doch niemandem unter die Augen treten.“
    Ben sprang auf und wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke über den Mund, um eventuell vorhandene, verräterische Butterspuren zu beseitigen. Er hatte den Ladenraum gerade betreten, als ein Schatten an ihm vorbeihuschte und durch die offen stehende Tür flitzte. Ben erfasste die Situation sofort. Ein Dieb! Ohne zu überlegen hetzte er hinterher.
    Draußen auf der Strasse wandte sich der Dieb nach links und rannte die Hickory-Street hoch. Ben konnte nun erkennen, dass es sich um einen kleinen Jungen handelte, der sich zwei große Konservendosen unter den Arm geklemmt hatte, und der nun den Kopf drehte, zurückblickte und erkannte, dass er verfolgt wurde. Ben sah die Angst in seinem Gesicht. Der Junge war vielleicht drei oder vier Jahre jünger als er selbst, es sollte kein Problem sein, ihn zu erwischen.
    Der Junge beschleunigte und setzte zu einem Zwischenspurt an. Er sprang zwischen anfahrenden Kutschen hindurch und überquerte zehn Meter vor Ben die inzwischen stark befahrene Straße. Ben im Vorteil des Verfolgers, der die Reaktion seines Gegners abwarten kann, schnitt ihm den Weg ab. Auf der anderen Straßenseite, vor einem alten Buchladen, erwischte er ihn. Seine Hand schoss vor und packte den anderen am Kragen. Durch die Schneeglätte rutschten beide aus und fielen hin. Durch Glück blieb Ben obenauf. Sein Körpergewicht hielt den anderen Jungen unten. Am Anfang strampelte er noch und versuchte, sich zu befreien, aber schließlich resignierte er und gab auf.
    Ben hatte nun zum ersten Mal Gelegenheit, seinen Gegner eingehender zu betrachten. Wild verstrubbeltes, rotes Haar umrahmte ein pausbäckiges Gesicht, das im Augenblick Verzweiflung ausstrahlte. Tränen glänzten in den braunen Augen. Ben schätzte ihn auf sieben Jahre.
    „Steh auf! Und hör auf zu flennen!“, sagte er barsch.
    Der Junge rappelte sich hoch. Mit den Händen klopfte er den Schneematsch ab. Ben erkannte an dem lauernden Blick, dass er nach einer Möglichkeit zur Flucht suchte.
    „Vergiss es! Ich krieg dich doch!“
    Der Andere begann wieder zu heulen.
    „Du hast gestohlen!“, stellte Ben ruhig fest. „Du weißt, was das bedeutet. Die Polizei schleppt dich in den Tower und sperrt dich ein.“
    Das Weinen nahm sofort an Heftigkeit zu. Ben begann bereits, seine Worte zu bereuen. Die Sache mit dem Tower war natürlich hemmungslos übertrieben, denn seit Jahren wurde dort niemand mehr eingesperrt. Er zog sein Taschentuch aus der Hosentasche und reichte es dem Anderen. Der Junge wischte sich über das Gesicht und schnäuzte dann heftig hinein. Ben fluchte innerlich. Das Taschentuch konnte er jetzt nicht mehr gebrauchen. Als es ihm zurückgereicht wurde, sagte er: „Kannst du behalten.“
    Der Junge nickte dankbar.
    „Heb’ die Dosen auf und gib sie mir!“ befahl Ben.
    Die Dosen waren dreckverschmiert. Mrs.Goodman würde toben, aber Hauptsache, er hatte sie wieder beschafft. Ben las die Etiketten. Schmalzfleisch in der einen Konserve, eingelegte Birnen in der anderen.
    „Wie heißt du?“
    „Andrew.“
    „Und weiter?“
    „MacDowell. Holst du jetzt die Polizei?“
    „Mal sehen, kommt darauf, ob du ehrlich bist. Warum stiehlst du so etwas?“
    Der Junge senkte den Kopf und schwieg.
    „Andrew, warum stiehlst du?“
    „Mein Ma’ ist krank und kann nicht einkaufen gehen“, kam es leise zurück.
    „Und da hat sie dir kein Geld mitgegeben?“
    „Wir haben kein Geld mehr.“
    „Was ist mit deinem Vater?“
    Die Tränen begannen wieder zu rollen.
    „Der ist tot! Letztes Jahr in der Grube von Welshire gestorben.“
    „Grube? Was für eine Grube?“
    „Kohlegrube. Mein Vater war Bergarbeiter.“
    „Und das soll ich dir glauben?“
    Andrew nickte verzweifelt.
    „Hast du keine Tanten oder Onkel?“
    Kopfschütteln.
    „Großeltern?“
    Kopfschütteln.
    „Niemanden sonst?“
    „Eine Schwester. Mae, aber die ist noch klein.“
    „Ach was, aber du bist groß?“
    Andrews Augen blitzten wütend.
    „Mein Pa’ hat immer gesagt, wenn ihm einmal etwas passiert, dann wäre ich der Mann im Haus.“
    „Ist ja schon gut“, meinte Ben beruhigend. „Hat deine Mom keine Arbeit?“
    „Nein, Mr.Siller hat sie
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