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Bélas Sünden

Bélas Sünden

Titel: Bélas Sünden
Autoren: Petra Hammesfahr
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Resignation und Auflehnung. Nur war leider niemand da, gegen den ich mich hätte auflehnen können. Einmal in der Woche fuhr ich mit dem Bus zu meinen Eltern, saß den halben Nachmittag bei Mutter im Garten oder in der Küche. Hörte mir hundertmal an, dass ich einen Fehler gemacht hatte und daraus hoffentlich eine Lehre zog.
    Nicht mehr so Hals über Kopf in eine neue Partnerschaft. Es kamen auch dezente Hinweise, dass eine geschiedene Frau von einer bestimmten Sorte Mann als Freiwild betrachtet wird. Abschließend drückte Mutter ihre Hoffnung aus, dass ich mich nicht zum Fußabtreter machte. Ab sechs versuchte ich meist noch, mit Vater ins Gespräch zu kommen. Wir hatten uns immer gut verstanden, aber damit war es vorbei. Papa verzieh mir nicht, dass im Dorf immer noch über mich getratscht wurde. Statt mir zuzuhören, erzählte er lieber von meiner Nachfolgerin, die in seinen Augen das große Los gezogen hatte. Einen guten, tüchtigen Mann, die florierende Schreinerei und die gesellschaftlichen Aktivitäten.
    Die neue Frau Müller saß nicht nutzlos daheim, lebte auch nicht auf Kosten ihres Mannes. Sie unterstützte ihn nach Kräften, bewachte das Telefon, nahm neue Aufträge entgegen, machte die Büroarbeit und hielt ihm den Rücken frei, damit er sich auf die Meisterprüfung konzentrieren konnte. Der arme Karl-Josef konnte sich ja keine Bürokraft leisten mit dieser Unterhaltszahlung am Bein.
    Ich war immer erleichtert, wenn Papa mich kurz nach acht vor meiner Wohnung absetzte. Aber dann ging es langsam aufwärts. Nachdem sie drei geworden war, ging Sonja in den Kindergarten. Ich begann als Halbtagskraft im Drogeriemarkt. Damit sparte ich Karl-Josef schon mal die Hälfte der Unterhaltszahlung ein. Noch im selben Jahr wurde die Vier-Zimmer-Wohnung gegenüber der meinen neu vermietet an ein junges Ehepaar, Heinz und Meta Böhring. Heinz war ein smarter Typ, damals siebenundzwanzig, mittelgroß und schlank, dunkle Locken, die er bis über den Hemdkragen trug – obwohl die Männerhaare allgemein wieder etwas kürzer wurden. Und wie die Haare auf dem Hemdkragen, trug er sein Selbstbewusstsein und ein gewisses Draufgängertum mit dem nietenbesetzten Ledergürtel um die Taille. Leider nur noch ein knappes halbes Jahr lang. Sie zogen im Dezember ein, zu Weihnachten, als alle anderen sich mit Geschenken ihre gegenseitige Liebe bewiesen. Heinz hielt nichts von Scheinheiligkeit. Weihnachten war für ihn das Fest der Geschäftsleute. Das erklärte er mir sofort, während Meta noch ein paar Sachen aus dem Auto holte. Die Ikea-Möbel standen bereits an Ort und Stelle, die hatte natürlich er aufgebaut. Um den teuren Kleinkram aus ihrem Elternhaus kümmerte Meta sich lieber selbst. Heinz machte sich unterdessen mit den Nachbarn, also mit mir bekannt. Schließlich musste man ja wissen, ob man es von nun an mit Spießern oder aufgeschlossenen Mitbürgern zu tun hatte.
    Ich werde das nie vergessen. Ich in der halb offenen Tür, Sonja mit halb offenem Mund neben mir. Mein Mund war wohl auch halb offen. Man muss sich das nur bildlich vorstellen: Da sitzen wir gemütlich vor der Schüssel mit den selbst gebackenen Weihnachtsplätzchen der lieben Omi, im Radio wird angemessene Musik gespielt. Dann klingelt es an der Tür, und da steht der Jüngste von den Marlboro Cowboys lässig mit einer Hand gegen den Türrahmen gelehnt. Das karierte Wollhemd dem Winter zum Trotz fast bis zum Nabel offen. Die Hände in lederbesetzten Arbeitshandschuhen. Heinz hielt auch nichts davon, die Leute mit Handschlag zu begrüßen. Und während er mir seine Einstellung zur Geschäftemacherei offenbarte, während ich ein schlechtes Gewissen bekam, weil ich mich im Geist noch einmal Parfümflaschen und Klosterfrau Melissengeist in Goldfolie wickeln sah – ich hatte mich doch tatsächlich gefreut, dass wir im Drogeriemarkt vor Weihnachten einen Bombenumsatz machten –, stieg Meta mit mokantem Lächeln, mal eine teure Vase im Arm, mal einen kleinen Karton mit etwas Geschirr, das sich kein normal verdienender Mensch leisten konnte, die Treppen hinauf und wieder hinunter. Heinz sagte einmal knapp:
    »Meine Frau«, und sprach weiter über die Freiheit der Anspruchslosen, als müsse er sich irgendwie für das rechtfertigen, was sie in die Wohnung trug. Ich konnte wirklich nur mit halb offenem Mund zuhören.
    Am Silvestermorgen kam dann Meta und fragte, ob ich abends mit ihnen feiern möchte. Da saßen wir zu dritt vor der Pfirsichbowle. Heinz erklärte mir den
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