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Bel Canto (German Edition)

Bel Canto (German Edition)

Titel: Bel Canto (German Edition)
Autoren: Milada Součková
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Bildern stellt Frau Friedrich sich das als Harem vor! Frau Wohlrab weiß, dass alle Patientinnen in ihren Mann verliebt sind. Sie lacht darüber, sie kennt ihren Mann gut. Das dortige Klima könne niemand ertragen. »Sie würden es nicht glauben, die ganze Zeit, die ich dort mit meinem ersten Mann war, war ich krank«. FrauWohlrab beugt sich zu Frau Friedrich, um ihr Näheres über die Schwierigkeiten mitzuteilen, die ihr das bosnische Klima bereitet habe. Doktor Wohlrab habe die Bekanntschaft seiner Frau als Arzt gemacht, er habe ihr geholfen (welcher Dame helfe man nicht?!), aber wolle sie vollkommen gesund werden, müsse sie das Klima wechseln. Sie habe recht gehabt, ihren Mann aus einer Umgebung, die ihm nicht bekam, herausgerissen zu haben. Sie habe ihn gerettet. Vor wem? Letzten Endes hätte er seine Wirtschafterin nehmen müssen, mit der er eine Tochter habe. Frau Wohlrab habe ihn gerettet, ihn an seine Pflichten erinnert. Welche Pflichten? Sie würde antworten: die Pflichten einer gesellschaftlichen Stellung.
    »Russland stößt bei seinem Druck auf Konstantinopel und den Balkan schon fünfzig Jahre auf den Widerstand Österreich-Ungarns.«
    Frau Tesař strickt ruhig, sie ist froh, dass der Gatte hier mit jemandem ein paar Worte wechseln kann.
    Warum erzähle ich Ihnen so ausführlich über diesen kleinen Kurort und über all diese Leute? Weil ich dort Giulia kennengelernt habe. Giulia war damals achtzehn Jahre.

DE ARTIFICIALI PERSPECTIVA
    Der Gang im Kurhotel ist leer, Sie können über ein paar Stufen eintreten und stehen auf einem Teppich, auf dem große Blumen, Rosen und Begonien ähnlich, wachsen. Aber mehr noch ähneln sie den Blumen, die nur selten groß werden, irgendwo im Keller oder am Fenster, wo es besonders feucht und schimmelig ist, was der Blume eine Farbe gibt, die normale Pflanzen nicht haben; zum Beispiel: Sie sind dort braun, wo andere rot sind. Stehen Sie am Anfang dieses Läufers, können Sie den langen Gang wie ein Fernrohr ans Auge legen, und Sie sehen bis in die Ferne, wo der Gang sich so verengt, dass ein Stück Landschaft in seinen Schlauch hineinpasst. Aber das ist, wie man sagt, eine optische Täuschung.
    Die Weibsperson, die in den Zimmern aufräumt, schlurft barfuß über die monströsen braungelben Blumen, trägt Eimer mit Schmutzwasser: auf manchen schwimmen Rasierschaum, abgeschnittene Haare, Papierfetzen, mit denen die Schärfe der Klingen geprüft wurde, Seifenklumpen, Asche, Schmutz. Die Weibsperson, die im Kurhotel aufräumt, ist an bloßen Füßen und Händen mit dem Spülicht beschmutzt, dessen Scheußlichkeit sie nicht wahrnimmt.
    Sie war mit dem Aufräumen im Zimmer Frau Gutwirts, die sich oft beschwert, es sei nicht gründlich genug, fertig. Die arme Putzfrau, die angeblich die von Cupidos gezogene Muschel nicht sorgfältig genug reinigen würde – die Cupidos halten einen Spiegel, kleine Bürsten, Seife, Puder,Duftfläschchen in der Hand –, hatte die Zügel der Schleifen nicht so zusammengelegt, wie es sich gehörte, wurde der aus Meeresschaum geborenen Venus nicht gerecht! Einmal würden Sie den Schrei hören, die Schimpfworte der erzürnten Göttin! Falls Sie mir nicht glauben, wird Ovid Ihnen erzählen, zu welch gemeinen Worten die zornentbrannte Himmlische bei solchen Gelegenheiten greifen kann.
    Die Putzfrau hat im Zimmer der Tesařs aufgeräumt, die Zimmertüren der gestern abgereisten Gäste hat sie offengelassen. Die gestern angekommenen Gäste sind noch in ihren Zimmern.
    Nun, lieber Leser, dieser Gang des Kurhotels, an dessen einem Ende du stehst und dessen Fußboden, Wände, Decke sich am anderen Ende in deinen Augen verengen, diese Perspektive ist eine optische Täuschung, denn wenn du am anderen Ende des Gangs ankommst, siehst du, der Gang ist dort um nichts enger.
    Der Gang, durch den ich auf den nackten Füßen meiner Feder gehe und die Schmutzeimer trage, ist die Wirklichkeit; die Perspektive ist etwas Künstliches. Diese Künstlichkeit auszunutzen, ist Aufgabe der Kunst von der Architektur bis zur mechanischen Verbindung von Teilen, die Bewegung und Geschwindigkeit unterstützen, sei es bereits eine Maschine oder erst menschliche Vorstellung.
    Welch abenteuerlicher Held ist die Zeit, wenn wir seine Studien zur Perspektive und zu den ersten Flugzeugen bei seinem Aufenthalt in Mailand verfolgen, irgendwann in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts, bis hin zu den heutigen Typen von Messerschmitt und Henkel!
    Wir aber haben nur die
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