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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Alex Gilvarry
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auch bei meinem Debüt im Bryant Park. Alles in allem sechs Saisons. Wann immer ich kurzfristig ein Anprobemodell brauchte, war Olya zur Stelle. Sie liebte meine Kleider und meinen Stil und blieb mir über die Jahre treu verbunden. Cunningham interessierte sich nur für unsere gemeinsamen Nächte im Bett, also erzählte ich ihm, wie sie mir die Geschichte von Holden Caulfield vorgelesen hatte, dem schwer depressiven Ausreißer. Zwischendurch streute ich ein, was sie beim Schlafen trug, welche Zigarettenmarke sie rauchte und auf welchen Typ Mann sie stand. »Meinst du, ich würde ihr gefallen?«, fragte er. Ja, sagte ich, und es war nicht einmal gelogen. Cunningham sah sehr gutaus. Wenn er wollte, könnte er Katalogmodel werden, sagte ich ihm. Bevor ich ins Bett ging, fügte ich ein weiteres unvergessliches Detail hinzu: den Geruch ihres ungewaschenen Haars nach einem langen Tag. Wie welke Rosen.

...
    DER KANADIER
    ...
    Ich schwöre bei New York City und bei dem Zeugenden und dem, was er gezeugt hat, wahrlich, ich wurde zu einem Dasein in Bedrängnis erschaffen. Genau so steht es nämlich in meinem Koran geschrieben. (Unterstrichen von D. Hicks.) Nun bin ich aber, wie gesagt, kein Moslem. Abgesehen davon, dass ich in New York einmal pro Woche zum Ashtanga Yoga ging, habe ich mich eigentlich nie mit irgendetwas Spirituellem beschäftigt. Glamour, Mode, Sex, Drogen – das alles ist zu verlockend für mich. Wie könnte ich einer Organisation beitreten, die auf einen Hedonisten mit dem Finger des Gerechten zeigt?
    Im Jahr 2002 hatte ich finanziell mit gewissen Problemen zu kämpfen. Diese Schwierigkeiten sollten mich den größten Teil meiner Laufbahn verfolgen, und nichts anderes als meine Gier nach Geld, wie es in Bezug auf die Einwanderernatur so schön heißt, sollte mich in die Hände der Homeland Security treiben.
    Während der Fashion Week wohnte ich immer noch mit Olya zusammen und ergatterte ein paar Freelancer-Jobs als Stylingassistent. Unter anderem für die unübertreffliche Vivienne Cho, deren Damenmode so elegant war, dass damals niemand in ganz New York ihren schiefen Prêt-à-porter-Turm zum Einsturz bringen konnte. Dicht auf den Fersen folgte ihr Philip Tang, ein Freund von mir aus Manila. Wir hatten beide das FIM in Manila besucht, nur dass Philip nacheinem Jahr an das Central Saint Martins College in London gewechselt und mich allein inmitten all der trüben Tassen zurückgelassen hatte, die es gar nicht erwarten konnten, ihr Leben lang Brautkleider zu entwerfen.
    Da ich Eindruck auf Vivienne gemacht hatte, wurde ich in derselben Woche für die Schauen einiger anderer Designer angeheuert – Catherine Malandrino, die ich absolut bewunderte, oder der junge Zac Posen. Sogar Philip bezahlte mich, damit ich ihn in seiner, wie sich herausstellte, hektischsten Saison als Assistent unterstützte. Er hatte ein Stipendium vom CFDA 9 erhalten und wurde von Yves Carcelle umworben, dem Präsidenten von Moët Hennessy–Louis Vuitton. Alles, was ich damals brauchte, um mir ein Atelier einzurichten, bekam ich von Philip: eine tragbare Singer, eine Schneiderpuppe und einen Schneideroller. Den Rest – Garn, Obermaterialien und Futterstoffe – kaufte ich auf der Fashion Avenue.
    Die Arbeit ging zur Neige, und ich wollte mir nun endlich eine eigene Wohnung suchen. Da das Geld noch knapper war als die Skinny Jeans auf meiner 30-Inch-Hüfte, begnügte ich mich mit einem winzigen Studio-Apartment in Bushwick, Brooklyn, direkt an der Station Kosciuszko der Linien J, M und Z. Für jemanden aus der Modebranche glich das praktisch einem Exil. Bushwick war ein gefährliches Pflaster an der Schwelle des hippen Williamsburg, meinem Leitstern. Es unterschied sich von Williamsburg insofern, als es sich von seinen kriminellen Wurzeln nicht so recht lösen wollte, sehr zum Verdruss der Immobilienmakler der Corcoran Group, die es so gern in »Bushwick Heights« umbenannt hätten. Trotzdem wohnten in der Gegend eine Menge Hipster, Tür an Tür mit den verarmten alten Bushwickern, und ich, Künstler und Modemensch, qualifizierte mich zu meinem Glück oder Unglück als einer der Ersteren.
    Ahmed Qureshi, den Gönner, den Einflussreichen, den Fluch meiner Existenz, lernte ich am Tag meines Einzugs kennen. Ich hievte gerade Philips Schneiderpuppe das kleine Treppchen zum Eingang hoch, da öffnete ein Mann in einer weißen Dischdascha die Tür. Sein Gewand fiel hinab bis zu den Knöcheln, und darunter leuchteten fluoreszierende
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