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Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Bekenntnisse eines friedfertigen Terroristen (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Autoren: Alex Gilvarry
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Aquasocks, eine einst populäre Alternative zu Badeschuhen.
    »Neuer Mieter?«, fragte er. Er war auch Ausländer. Wir hatten dieselbe Hautfarbe, ein tiefes Siena. Seinem Akzent nach zu urteilen, kam er aus Pakistan. Wir hatten zu Hause einmal ein Dienstmädchen aus Karatschi mit ungefähr derselben Sprachmelodie gehabt. Doch anders als sie hatte dieser Mann zusätzlich einen britischen Schwung in der Stimme, der seinen Worten reichlich Autorität verlieh.
    Ich selbst hatte nur einen leichten Filipino-Akzent. Ich sprach Englisch im rhythmischen Singsang des Tagalog, hin und wieder akzentuiert durch Satzenden, an denen ich mit der Stimme hochging, was vom jahrelangen Konsum amerikanischer Fernsehserien herrührte. Besonders Beverly Hills, 90210 . Nur wenn ich nervös war, wie in jenem Moment, wurde ich unsicher in der Aussprache. Dann verfiel ich schnell in die Sprechweise meiner Eltern – ich versagte bei den Konsonanten F und W. Jahrelang hatte ich daran gearbeitet, diesen Fehler abzustellen, aber gegen sich selbst kommt man einfach nicht an. »Ja, ich bohne jetzt hier«, sagte ich. Still für mich wiederholte ich die korrekte Aussprache. Ich wohne. Ich wohne. Ich wohne.
    »Na dann, willkommen in der Evergreen Avenue«, sagte er. »Wirst sehen, evergreen ist hier nix. Und wer ist das da?« Er klopfte gegen den Puppentorso, den ich mir unter den Arm geklemmt hatte.
    »Ach, das ist eine Schneiderbüste. Ich bin Designer.«
    »Fantastisch! Ich bin auch in der Kleidungsbranche. Stoffimporte aus Ägypten, Indien, überall. Ahmed Qureshi. Sehr erfreut.«
    »Boy«, sagte ich, und wir gaben uns die Hand.
    »Komm, ich helf dir mit dem Krempel.«
    »Das ist wirklich nicht nötig.«
    »Sei nicht dumm. Wenn dir jemand die Hand reicht, nimm sie. Wir sind doch Nachbarn. Ich hab das gesamte Erdgeschoss für mich.«
    Ich sagte ihm, ich hätte nicht viel, nur ein paar persönliche Sachen wie meinen Koffer, die Singer, ein Nähkästchen und vier, fünf Ballen Stoff. Er schnappte sich ein paar Sachen vom Bordstein, wo mich das Taxi abgesetzt hatte, und folgte mir in den ersten Stock.
    Jene erste Wohnung war nicht viel größer als die Zelle, in der ich jetzt sitze. In der Küche prunkte eine gusseiserne Wanne, die mit Bolzen am Dielenboden fixiert war. »Klassisches Vorkriegsflair«, um mit den Worten des Corcoran-Maklers zu sprechen, der sie mir vermietet hatte. Und für sechshundert Dollar im Monat bekam ich noch eine Doppelmatratze, eine Kommode und einen klapprigen alten Ventilator dazu, alles Hinterlassenschaften des Vormieters. Weil die Hitzewelle Ende September immer noch andauerte, hatte der Makler als Vertragsabschlussbonus noch eine gebrauchte Klimaanlage draufgelegt.
    Der kleine Ventilator war noch an und verteilte warme Luft. Ahmed folgte mir hinein und stellte meine Sachen auf den Boden. »Mit deinem Vormieter hat es ja ziemlich böse geendet.«
    »Oh nein. Was ist passiert?«
    »Den haben sie kaltgemacht. Genau da, wo du jetzt stehst.«
    Instinktiv trat ich einen Schritt zur Seite.
    »Zwei Männer sind hier eingebrochen, haben ihn auf einen Stuhl gefesselt und die Wohnung durchwühlt. Habennatürlich nix gefunden. Was haben die auch erwartet? Er war Straßenhändler. Nur Kinkerlitzchen, Handytaschen und so. Er hatte nichts. Dann haben sie ihm zwei Kugeln in die Brust gejagt.«
    »Oh Gott.«
    »Eine Nachricht haben sie auch hinterlassen, mit einer Reißzwecke an seine Stirn gepinnt. ›Geht nach Hause, Araber.‹ Diese Idioten. Der arme Kerl war Bangladescher. Und aus einem stinknormalen Mord ein Hassverbrechen zu machen, damit brockt man sich heutzutage bloß zehn oder fünfzehn Jahre mehr ein. Hab ich Recht?«
    »Das ist ja schrecklich.«
    »Aber es stimmt. Jedes Wort. So ist die Welt, in der wir leben. Ich glaub, das war seiner.« Ahmed zeigte auf den Ventilator, der am Ende seiner 180°-Drehung zweimal klickte und anhielt und jetzt irgendwie eine größere Bedeutung bekam. Ich schaltete ihn aus.
    »Wie sind sie reingekommen?«
    »Na wie wohl? Sie haben die Tür aufgebrochen. Ich war gerade in Port au Prince, mit einer jungen Lady. Nicht meine Frau. Aber wenn ich zu Hause gewesen wäre, hätte ich sie gehört. Dann hätte ich die Bullen gerufen. Wer weiß, der Bangladescher könnte heute noch leben. Egal, ich rede und rede. Du kriegst ja Angst. Normalerweise kommt so was hier nicht vor. Wir haben ein Auge aufeinander seit dem Mord.«
    Wir gaben einander die Hand. Ich wusste nicht, ob ich die Geschichte von dem
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