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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Autoren: Thomas Mann
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Galopp sich ihm nahte. Sehr ließ er ihn nahen, ganz heran, griff im genauesten Augenblick den Degen vom Boden auf und stieß dem Tiere blitzschnell den schmalen und blanken Stahl bis halb zum Heft in den Nacken. Es sackte zusammen, wälzte sich massig, bohrte einen Augenblick die Hörner in den Grund, als gälte es das rote Tuch, legte sich dann auf die Seite, und seine Augen verglasten.
       Es war in der Tat die eleganteste Art der Schlachtung. Noch sehe ich Ribeiro, seinen Mantel unterm Arm, ein wenig auf den Zehenspitzen, als wollte er leise auftreten, beiseite gehen, indem er sich nach dem Gefällten umschaute, der sich nicht mehr regte. Aber schon während seines kurzen Todeskampfes hatte alles Publikum sich wie ein Mann von den Plätzen erhoben und brachte dem Helden des Todesspiels, der sich seit jenem Versuch, sich zu drücken, ja ausgezeichnet benommen hatte, den Salut seiner Hände dar. Das dauerte an, bis er in dem bunten Maultiergefährt, das ihn abholte, hinausgekarrt worden war. Ribeiro ging mit ihm, zur Seite des Wagens, wie um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Er kehrte nicht mehr zurück. Unter anderem Namen, in anderer Lebensrolle, als Teil eines Doppelbildes ist er mir, genau er, etwas später wiedererschienen. Doch davon an seinem Ort. Wir sahen noch zwei Stiere an, die weniger gut waren, wie auch der Espada, der den einen mit der Klinge so mangelhaft traf, daß er nur einen Blutsturz bekam, aber nicht fiel. Wie einer, der sich erbricht, stand er, die Beine vorgestemmt, mit gestrecktem Halse und spie eine dicke Welle Bluts in den Sand – unerfreulich zu sehen. Ein vierschrötiger, übertrieben glitzernd gekleideter und sehr eitel sich gebärdender Matador mußte ihm den Gnadenstoß geben, so daß die Griffe zweier Degen ihm aus dem Leibe ragten. Wir gingen. Im Wagen denn also versah uns Maria Pia’s Gatte mit gelehrten Erläuterungen zu dem, was wir – was ich zum ersten Male gesehen. Er sprach von einem uralten römischen Heiligtum, wo es aus dem Oberen, Christlichen, tief hinabgehe in die Kultschicht einer dem Blut sehr geneigten Gottheit, deren Dienst einst um ein Haar demjenigen des Herrn Jesu den Rang als Weltreligion abgelaufen hätte, da ihre Geheimnisse äußerst populär gewesen seien. Getauft worden seien die Neulinge ihres Glaubens nicht mit Wasser, sondern mit dem Blut eines Stieres, der vielleicht der Gott selber gewesen sei, wiewohl der auch wieder in dem gelebt habe, der sein Blut vergoß. Denn diese Lehre habe etwas unscheidbar Verkittendes, auf Tod und Leben Zusammenschmiedendes gehabt für alle ihre Angehörigen, und ihr Mysterium habe in der Gleichheit und Einheit bestanden von Töter und Getötetem, Axt und Opfer, Pfeil und Ziel … Ich hörte alldem nur mit halbem Ohre zu, nur soweit es mich nicht störte im Anschauen der Frau, deren Bild und Wesen durch das Volksfest so sehr gehoben und gleichsam erst recht zu sich selbst gebracht, zum Anschauen reif gemacht worden war. Ihr Busen war jetzt zur Ruhe gekommen. Mich verlangte danach, ihn wieder wogen zu sehen.
       Zouzou, ich verhehlte es mir nicht, war mir während des Blutspiels ganz und gar aus dem Sinn gekommen. Desto entschiedener beschloß ich, ihrer beständigen Forderung endlich Folge zu leisten und ihr in Gottes Namen die Bilder vorzulegen, die sie als ihr Eigentum ansprach, – die Aktbilder Zaza’s mit Zouzou’s Schläfenfransen. Auf den nächsten Tag war ich noch einmal bei Kuckucks zum Déjeuner geladen. Eine nach nächtlichen Regenschauern eingetretene Abkühlung berechtigte mich, einen leichten Mantel anzulegen, in dessen Innentasche ich die gerollten Blätter versorgte. Auch Hurtado war da. Bei Tische drehte sich das Gespräch noch um das gestern Geschaute, und dem Professor zu Gefallen erkundigte ich mich des weiteren nach der aus dem Felde geschlagenen Religion, zu der es vom Christentum die Treppe hinabging. Viel wußte er nicht hinzuzufügen, erwiderte aber, so ganz aus dem Felde geschlagen seien jene dienstlichen Bräuche nicht, da vom Opferblut, Gottesblut immerdar alle frommen Verrichtungen der Menschheit volkstümlich gedampft hätten, und ließ Beziehungen durchblicken zwischen dem Mahl des Meßopfers und dem festlichen Blutspiel von gestern. Ich blickte auf den Busen der Hausfrau, ob der vielleicht woge.
       Nach dem Kaffee verabschiedete ich mich von den Damen, indem ich mir eine letzte Visite für den nahen äußersten Tag meines Hierseins vorbehielt. In Gesellschaft der Herren, die
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