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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Autoren: Thomas Mann
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Haltung bestimmt wurde. Ihr Gatte richtete wohl einmal mit Ruhe das Wort an mich, doch unwillkürlich blickte ich, nach Erlaubnis fragend, zu der feierlichen Frau im iberischen Kopfschmuck hinüber und antwortete mit Zurückhaltung. Die schwarzen Bernsteingehänge ihrer Ohren schaukelten, in Bewegung gesetzt von den leichten Stößen des Wagens.
       Der Andrang von Fuhrwerken zum Eingang des Zirkus war stark. Nur langsam vorrückend zwischen anderen Equipagen, hatten wir in Geduld unser Vorfahren und Aussteigen zu erwarten. Dann nahm das weite Rund der Arena mit ihren Schranken, Pfeilerbalustraden und tausendfach ansteigenden Sitzen uns auf, von denen nur wenige noch leer waren. Bebänderte Funktionäre wiesen uns unsere Schattenplätze an, in mäßiger Höhe über dem gelben Ring der mit einer Mischung aus Lohe und Sand bestreuten Manege. Das riesige Teater füllte sich rasch bis auf den letzten Sitz. Von der malerischen Großartigkeit seines Anblicks hatte Kuckuck mir nicht zuviel gesagt. Es war das farbige Gesamtbild einer nationalen Gesellschaft, in welchem die Noblesse sich wenigstens andeutungsweise und verschämt der grell besonnten Volkstümlichkeit dort drüben anpaßte. Nicht wenige Damen, selbst Ausländerinnen wie Frau von Hüon und die Fürstin Maurocordato, hatten sich mit dem steilen Haarkamm und der Mantilha versehen, ja einige ahmten an ihren Kleidern den bäuerlichen Gold- und Silberbesatz nach, und das Formelle im Anzug der Herren erschien als Aufmerksamheit gegen das Volk, – jedenfalls galt es der Volkstümlichkeit der Veranstaltung.
       Die Stimmung des ungeheuren Rundes schien erwartungsfroh, doch gedämpft, sie unterschied sich, auch auf der Sonnenseite und gerade dort, merklich vom üblen Geist des Pöbelhaften, der auf den Tribünen profaner Sportplätze zu Hause ist. Erregung, Spannung, ich empfand sie ja selbst; aber was davon in den abertausend auf den noch leeren Kampfplatz hinabblickenden Gesichtern zu lesen war, dessen Gelb bald von Blutlachen starren sollte, erschien gehalten, gezügelt von einer gewissen Weihe. Die Musik brach ab und wechselte von einem Konzertstück maurisch-spanischer Prägung in die Nationalhymne hinüber, als der Prinz, ein hagerer Mann mit einem Stern auf dem Gehrock und einer Chrysantheme im Knopfloch, mit seiner Gemahlin, die auch die Mantilha trug, ihre Loge betrat. Man erhob sich von den Plätzen und applaudierte. Dies sollte später noch einmal geschehen, zu Ehren eines anderen.
       Der Eintritt der Herrschaften geschah eine Minute vor drei: mit dem Stundenschlage begann, bei fortspielender Musik, aus dem großen Mitteltor die Prozession der Akteure sich hervorzubewegen, voran drei Degentragende mit Schulterklappen über dem kurzen gestickten Wams, ebenfalls farbig bordierten engen Hosen, die bis zur Hälfte der Wade reichten, weißen Strümpfen und Schnallenschuhen. Bandarilheiros, spitze, bunt bebänderte Stäbe in den Händen, und im gleichen Stil gekleidete Capeadores, die schmale schwarze Krawatte übers Hemd laufend, kurze rote Mäntel über den Armen, schritten hinter ihnen. Eine Kavalkade lanzenbewehrter Picadores in Hüten mit Sturmbändern, auf Pferden, denen gesteppte Decken, matratzenähnlich, an Brust und Flanken hingen, entwickelte sich danach, und ein mit Blumen und Bändern aufgeputztes Maultiergespann machte den Schluß des Zuges, der sich geradewegs durch das gelbe Rund gegen die prinzliche Loge hin bewegte, wo er sich auflöste, nachdem jedermann eine chevalereske Verbeugung davor gemacht hatte. Ich sah einige Toireadores sich bekreuzigen, während sie zu den Schutzvorrichtungen gingen. Auf einmal, mitten im Stück, verstummte das kleine Orchester aufs neue. Ein einzelnes, sehr helles Trompetensignal schmetterte auf. Die Stille ringsum war groß. Und aus einem kleinen Tor, das ich nicht beachtet und das sich plötzlich aufgetan hatte, bricht – ich wähle hier die Gegenwartsform, weil das Ereignis mir so sehr gegenwärtig ist – etwas Elementares hervor, rennend, der Stier, schwarz, schwer, mächtig, eine augenscheinlich unwiderstehliche Ansammlung zeugender und mordender Kraft, in der frühe, alte Völker gewiß ein Gott-Tier, den Tiergott gesehen hätten, mit kleinen drohend rollenden Augen und Hörnern, geschwungen wie Trinkhörner, die aber, an seiner breiten Stirn ausladend befestigt, auf ihren aufwärtsgebogenen Spitzen offenkundig den Tod trugen. Er rennt vor, steht still mit vorgestemmten Vorderbeinen, glotzt mit
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