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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Autoren: Thomas Mann
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schon widerstandsfähige Schutzpolster, so daß ihnen kaum noch Ernstliches zustoße, und der Stier sterbe einen ritterlicheren Tod als im Schlachthause. Übrigens könne ich ja nach Belieben wegsehen und meine Aufmerksamkeit mehr dem Fest-Publikum, seinem Einzug, dem Bilde der Arena widmen, das pittoresk und von großem ethnischem Interesse sei.
       Gut denn, ich sah ja ein, daß ich die Gelegenheit nicht verschmähen dürfe noch seine Aufmerksamkeit, für die ich ihm Dank sagte. Wir kamen überein, daß ich ihn und die Seinen zu guter Zeit mit meinem Wagen am Fuß der Seilbahn erwarten solle, um gemeinsam mit ihnen den Weg zum Schauplatz zurückzulegen. Es werde das, meinte Kuckuck vorhersagen zu sollen, nur langsam vonstatten gehen; die Straßen würden bevölkert sein. Ich fand das bestätigt, als ich am Sonntag, schon zweieinviertel Uhr für alle Fälle, mein Hotel verließ. Wahrhaftig, so hatte ich die Stadt noch nicht gesehen, obgleich ich so manchen Sonntag schon hier verbracht. Nur eine Corrida, offenbar, vermochte sie derart auf die Beine zu bringen. Die Avenida, in all ihrer splendiden Breite, war bedeckt mit Wagen und Menschen, Pferde- und Maultiergespannen, Eselreitern und Fußgängern, und so waren die Straßen, durch die ich, fast immer im Schritt des Gedränges wegen, zur Rua Augusta fuhr. Aus allen Winkeln und Gassen, aus der Altstadt, den Vorstädten, den umliegenden Dörfern strömte Stadt- und Landvolk, festtäglich geschmückt zumeist, in nur heute hervorgeholten Trachten und darum wohl auch mit gewissermaßen stolzen, zwar lebhaft blickenden, doch von Würde, ja Andacht beherrschten Gesichtern, in gesetzter Stimmung, so schien mir, ohne Lärm und Geschrei, ohne zänkische Karambolagen, einmütig in Richtung des Campo Pequeno und des Amphitheaters.
    Woher das Gefühl eigentümlicher Beklommenheit, gemischt aus Ehrfurcht, Mitleid, einer melancholisch angehauchten Heiterkeit, das einem beim Anblick einer von großem Tage gehobenen, von seinem Sinn erfüllten und vereinigten Volksmenge das Herz bedrängt? Es liegt etwas Dumpfes, Urtümliches darin, das zwar jene Ehrfurcht, aber auch etwas Sorge erregt. Das Wetter war noch hochsommerlich, die Sonne schien hell und blitzte in den Kupferbeschlägen der langen Stäbe, die die Männer pilgernd vor sich her setzten. Sie trugen farbige Schärpen und Hüte mit breiten Krempen. Die Kleider der Frauen aus glänzendem Baumwollstoff waren an der Brust, den Ärmeln, am unteren Saum vielfach mit Gold- und Silberbesatz in durchbrochener Arbeit geschmückt. Im Haare so mancher von ihnen sah man den hochragenden spanischen Kamm, nicht selten auch noch darüber jenes Kopf und Schultern bedeckende, schwarze oder weiße Schleiertuch, das Mantilha heißt. Bei pilgernden Bäuerinnen konnte das nicht überraschen, aber überrascht, ja erschrocken war ich allerdings, als mir an der Seilbahn-Station auch Dona Maria Pia – zwar nicht im volkstümlichen Glitzerkleide, sondern in eleganter Nachmittagstoilette, aber doch ebenfalls in einer schwarzen Mantilha über dem hohen Kamm entgegentrat. Sie sah keinen Grund zu entschuldigendem Lächeln ob dieser ethnischen Maskerade – und ich noch weniger. Tief beeindruckt, beugte ich mich mit besonderer Ehrerbietung über ihre Hand. Die Mantilha kleidete sie vorzüglich. Durch das feine Gewebe malte die Sonne filigranartige Schatten auf ihre Wangen, ihr großes, südlich bleiches und strenges Gesicht.
    Zouzou war ohne Mantilha. In meinen Augen genügten ja auch die reizenden Schläfensträhnen ihres schwarzen Haares als ethnische Kennzeichnung. Gekleidet aber war sie sogar dunkler als ihre Mutter, ein wenig wie zum Kirchgang; und auch die Herren, der Professor sowohl wie Dom Miguel, der, zu Fuße kommend, sich während unserer Begrüßung zu uns gesellte, waren in seriösem Habit, schwarzem Cutaway und steifem Hut, da doch ich es bei einem blauen Anzug mit hellen Streifen hatte sein Bewenden haben lassen. Das war etwas gênant, aber der Unbelehrtheit des Fremden mochte es nachzusehen sein.
    Ich befahl meinem Kutscher, den Weg über den AvenidaPark und den Campo Grande zu nehmen, wo es stiller war. Der Professor und seine Gemahlin saßen im Fond, Zouzou und ich nahmen die Rücksitze ein und Dom Miguel den Platz beim Kutscher. Die Fahrt verging in einer Schweigsamkeit oder doch Spärlichkeit des Austausches, die hauptsächlich von Senhora Maria’s außergewöhnlich würdevoller, ja starrer und kein Geplauder aufkommen lassender
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