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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Autoren: Thomas Mann
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sonst jedermann sich zurückhielt, zusammen mit dem blutend wütenden Stier allein die Manege ein. Schon bei der Prozession war er mir aufgefallen, denn das Schöne und Elegante sondert mein Auge sogleich aus dem Gewöhnlichen aus. Achtzehn- oder neunzehnjährig, war dieser Ribeiro in der Tat bildhübsch. Unter schwarzem Haar, das ihm glatt und ungescheitelt tief in die Brauen hing, trug er ein fein geschnittenes spanisches Gesicht zur Schau, das bei einem ganz leisen, vielleicht vom Beifall erzeugten, vielleicht nur Todesverachtung und das Bewußtsein seines Könnens andeutenden Lächeln der Lippen mit stillem Ernst aus schmalen schwarzen Augen blickte. Das gestickte Jäckchen mit den Schulterüberfällen und den gegen das Handgelenk sich verengenden Ärmeln kleidete ihn – ach, mit einem ganz ebensolchen hatte mein Pate Schimmelpreester mich einst kostümiert – kleidete ihn so vortrefflich, wie es mich einst gekleidet. Ich sah, daß er schlank gegliederte, durchaus noble Hände hatte, mit deren einer er eine bloße, blanke Damaszenerklinge beim Gehen wie einen Spazierstock aufsetzte. Mit der anderen hielt er ein rotes Mäntelchen an sich. Übrigens ließ er den Degen fallen, als er die Mitte des schon recht zerwühlten und blutbefleckten Rundes erreicht hatte, und winkte nur ein bißchen mit dem Mantel gegen den Stier, der in einiger Entfernung von ihm seine Stangen schüttelte. Dann stand er unbeweglich und sah mit jenem kaum merklichen Lächeln, jenem Ernst der Augen dem Anrasen des furchtbaren Märtyrers zu, dem er sich einsam zum Ziele bot wie ein alleinstehender Baum dem Wetterstrahl. Er stand wie angewurzelt – zu lange, man konnte nicht zweifeln; gut mußte man ihn kennen, um nicht mit Schrecken überzeugt zu sein, daß er beim nächsten Wimpernschlage zu Boden geworfen, gespießt, massakriert, zertrampelt werden würde. Etwas äußerst Graziöses, sanft Überlegenes und zu einem herrlichen Bilde Führendes geschah statt dessen. Die Hörner hatten ihn schon, sie nahmen von der Saumstickerei seiner Jacke etwas mit, als eine einzige leichte, sich auf die Capa übertragende Handbewegung die mörderischen dorthin lenkte, wo er auf einmal nicht mehr war, da ein weicher Hüftschwung ihn neben die Flanke des Ungeheuers gebracht hatte, mit dem nun die Menschengestalt, einen Arm längs des schwarzen Rückens dorthin ausgestreckt, wo die Hörner gegen die flatternde Capa wüteten, zu einer Gruppe verschmolz, die begeisterte. Die Zuschauermenge sprang jubelnd auf, rief »Ribeiro!« und »Toiro!« und klatschte. Ich selbst tat dies und neben mir die Rassekönigin mit dem wogenden Busen, die ich anblickte, abwechselnd mit der rasch sich auflösenden tier-menschlichen Schaugruppe, da die gestrenge und elementare Person dieser Frau mir mehr und mehr eins wurde mit dem Blutspiel dort unten.
    Ribeiro lieferte, im Duett mit dem Toiro, noch ein und das andere Glanzstückchen, und sehr deutlich war, daß es dabei auf tänzerisch anmutige Posen in der Gefahr und plastische Bildvereinigungen des Gewaltigen mit dem Eleganten ankam. Einmal, während der Stier, geschwächt wohl bereits und degoutiert von der Vergeblichkeit all seines Zornes, abgewandt stand und dumpf vor sich hin brütete, sah man seinen Partner, ihm den Rücken kehrend, im Sande knien und sehr schlank aus dieser Stellung aufgerichtet, mit erhobenen Armen und geneigtem Kopf den Mantel hinter sich spreizen. Das schien kühn genug, aber er war der augenblicklichen Stumpfheit der gehörnten Unterwelt wohl sicher. Einmal, vor dem Stiere herrennend, fiel er halb hin, auf eine Hand, und ließ mit der anderen das immer die Wut verführende rote Tuch weit seitwärts flattern, so daß er selbst davonkam, auf die Beine, um im nächsten Augenblick der Bestie in leichtem Schwung über den Rücken zu springen. Er hatte seinen Beifall, für den er niemals dankte, da er ihn sichtlich stets auf den Toiro mitbezog und dieser für Huldigung und Dank keinen Sinn hatte. Fast fürchtete ich, er möchte Sinn für die Unschicklichkeit haben, mit einem auf der Weide höflich gehaltenen Opfertier solchen Schabernack zu treiben. Aber das war eben der Jux, der in die Andacht zum Blute volkstümlich einschlägig war.
       Das Spiel zu enden, lief Ribeiro zu der liegengelassenen Klinge, stand dort, breitete in der üblichen einladenden Haltung, ein Knie gebogen, den Mantel vor sich hin und sah ernsten Auges zu, wie der Stier mit eingelegtem Gewaffen, aber in schon recht schwerfälligem
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