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Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne
Autoren: Tanith Lee
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hys­te­ri­scher Zu­stand war dem Ko­mi­tee mit­ge­teilt wor­den, denn ich brauch­te nicht lan­ge zu war­ten. Sie schick­ten mir so­gar ein klei­nes, blau­ro­sa Him­mels­schiff, ganz hei­ter und fröh­lich, in dem auch ganz hei­te­re und fröh­li­che Mu­sik ge­spielt wur­de.
    „Ach ja“, sag­ten sie, als sie mich sa­hen, und nah­men mich bei der Hand.
    Ich leg­te mich al­so in ei­ne wei­che, mit Fell aus­ge­leg­te Schlaf­zel­le und war­te­te dar­auf, ei­ne Blu­me zu wer­den. Mein letz­ter Ge­dan­ke war, so­weit ich mich er­in­nern kann: Wo­her kommt die­ses Fell, von ei­nem Wüs­ten­tier? Und ich schwor mir, den Pelz­raum zu Hau­se ab­zu­schaf­fen.
    Dann war ich in ei­nem stil­len, mor­gend­li­chen Wald mit blas­sem Him­mel, und ich war ei­ne große Pflan­ze, die sanft hin und her wog­te und wuchs, mein Kopf war vol­ler Pflan­zen­ge­dan­ken, ich spür­te den Son­nen­schein und fühl­te, wie mei­ne Mo­le­kü­le ihn in grü­ne Zel­len ver­wan­del­ten. Es war sehr be­ru­hi­gend. Ich war lan­ge Zeit ei­ne Blu­me, es hät­te mir gut tun sol­len. Nach­dem ich ei­ne Blu­me ge­we­sen war, wur­de ich ein Berg, was recht gran­di­os war. Ich glau­be, ich fühl­te mich tat­säch­lich ein biß­chen wie As­su­le. Ich dach­te be­stimmt so wie er. Ich bin alt und be­stän­dig, ich bin ein Got­tes­we­sen, ich bin die Ewig­keit. Ich igno­rier­te den Sand und den Wind, die an mir schlif­fen, den Re­gen, der mich ero­dier­te, die hei­ße Son­ne, die mich aus­trock­ne­te. Spä­ter war ich ein See, blau und plät­schernd, ki­lo­me­ter­groß, und es war herr­lich, so lang und breit zu sein und sich je­den Zen­ti­me­ters, je­den Trop­fens be­wußt zu sein. Ich schlug lei­se klei­ne Wel­len, warf die Son­ne von mei­ner Haut zu­rück und er­mu­tig­te mei­ne Was­ser­pflan­zen zum Wach­sen.
    Ich kam zu mir und war zu­erst über­rascht, daß ich zwei Ar­me und Bei­ne und Haa­re hat­te und den gan­zen lang­wei­li­gen Rest. Ich hat­te den Im­puls, der nach SV recht häu­fig ist, näm­lich schnur­stracks nach Lim­bo zu mar­schie­ren und zu sa­gen: „Ich möch­te gern einen lan­gen, blau­en, plät­schern­den Kör­per.“ Aber sie lenk­ten mich ab. Sie ka­men an­ge­summt und ga­ben mir ei­ne Nah­rungs­in­jek­ti­on und er­mu­tig­ten mich, auf ei­ner Ma­schi­ne Poe­sie über mei­ne Er­leb­nis­se zu schrei­ben.
    Thinta kam mich be­su­chen – ich ha­be al­ler­dings den Ein­druck, daß man es ihr vor­ge­schla­gen hat, und Thinta, loy­al und auf­rei­zend pflicht­be­wußt, wie sie nun ein­mal ist, kam in ih­rem si­che­ren ro­sa Flug­kör­per an­ge­schnurrt. Oh ja, an die­sem Tag war sie sehr si­cher. Man hät­te nie ge­dacht, daß sie vor gar nicht all­zu lan­ger Zeit auch auf das Zee­fahr ge­stürzt war, wie das Ge­wohn­heits­tier Her­gal.
    „Wir wol­len Was­ser­klei­der ma­chen“, zwit­scher­te Thinta.
    Wir hol­ten uns das Ma­te­ri­al und die An­lei­tun­gen und wan­der­ten lan­ge Zeit an Ga­le­ri­en von klap­pern­den Licht­hä­kel­ma­schi­nen und Stahl­strick­ma­schi­nen und Bil­der­wol­le vor­bei, auf die man mit elek­tri­schen Wel­len Land­schaf­ten und ähn­li­ches ma­len kann, um da­mit sich selbst und sei­ne Freun­de zu über­ra­schen. Ich woll­te se­hen, was Thinta tun wür­de, und klau­te ziem­lich of­fen­sicht­lich ei­ni­ge Feu­er­na­deln; sie sah nur et­was un­be­hag­lich drein und tat, als hät­te sie nichts ge­se­hen. Ich war nun ein­mal so auf­ge­legt. Wil­de Mög­lich­kei­ten, wie ich je­der­mann za­radann ma­chen konn­te, schos­sen mir durch den Kopf, aber ich hat­te al­les zu sehr satt, um auch nur ei­ne da­von aus­zu­füh­ren.
    Im Feu­er­loch nah­men wir un­se­re fünf­te Mahl­zeit ein und gin­gen dann, um un­se­re Klei­der in dem töd­lich per­fek­ten Son­nen­schein des Ilex-Parks zu ma­chen, wäh­rend je­de Men­ge Ja­de-Blät­ter auf uns her­ab­se­gel­ten. Mit­ten­drin er­in­ner­te mich die Ja­de auf ein­mal an den Dra­chen im Ja­de­turm und an all die an­de­ren Tie­re in Vier BAA, dann an Lo­run, und ich fing wie­der an zu heu­len. Die Trä­nen ver­misch­ten sich mit den Was­ser­klei­dern und rui­nier­ten sie.
    „Oh“, fleh­te Thinta, „oh, Oo­ma, hör
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