Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Beinssen, Jan

Titel: Beinssen, Jan
Autoren: Goldfrauen
Vom Netzwerk:
Auftrag aber – den kennen Sie längst. Es ist noch immer der gleiche wie vor einem Jahr.«
    Der Lastenaufzug ächzte, als er wieder zum Stehen
    kam und seine Fracht ausspuckte: Zum Vorschein kam der Ire, etwas derangiert und verschwitzt. Er hielt ein elendes Bündel Mensch am Schlafittchen gepackt, das zappelte, strampelte und quiekte wie ein Ferkel, kurz vorm Abstechen.
    »Jetzt haben sie auch Friedhelm«, hauchte Sina. »Alles ist aus.«
    Gabriele hatte weder die Kraft noch die Argumente, ihr zu widersprechen.

    30

    Mit roher Gewalt stieß der Ire den wehr-und willenlosen Friedhelm in eine Ecke, wo er wimmernd zusammensackte und sich die Hände schützend über den Kopf hielt.
    »Ich habe ihn auf dem Gelände abgefangen«, sagte der Ire kalt und gefühllos. »Er wollte wohl zum Telefonieren fahren. Ich habe ihm ein paar verpasst.«
    »Gut gemacht«, lobte die Alte. »Saubere Arbeit.«
    Sinas Beine gaben nach. Sie suchte Halt an der Wand und sank neben Friedhelm in die Knie.
    Gabriele verspürte den übermächtigen Drang, es den beiden gleichzutun. Sie wollte aufgeben, sich fallen lassen, alles hinter sich bringen. Was hatte es jetzt noch für einen Sinn, weiterzukämpfen? Ihr ging die Kraft aus, immer stark zu sein und zu funktionieren, wie man es von ihr erwartete. Doch sie brachte es nicht fertig, klein beizugeben und um ihr Leben zu flehen – noch nicht. Sie musste klären, auf was die Alte zuletzt angespielt hatte. Von welchem Auftrag hatte sie gesprochen? »Reden Sie weiter«, brachte Gabriele mühsam hervor. »Was haben Sie vor einem Jahr begonnen, das Sie nun zu Ende führen wollen?«
    Die klein gewachsene Frau stellte sich ihr direkt gegenüber und fixierte sie feindselig. »Das wissen Sie nicht? Wirklich? Damals ist unser Auftrag doch
    einzig und allein gescheitert, weil Sie beide dazwischengefunkt haben – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber dieses Mal wird es klappen.«
    Auch Sina wurde wieder hellhörig. Die Worte der Alten rüttelten sie auf. »Sprechen sie von der …, der Bombe?«, fragte sie mit bebender Stimme. »Lautete Ihr Auftrag, New York mit einer Atombombe zu zerstören?«
    Die Alte sah sie mit gespieltem Mitleid an. »Haben Sie es endlich begriffen, ja?« Sie lachte aggressiv. »Nachdem die erste Bombe durch Ihre Einmischung verloren gegeben werden musste, sahen wir uns gezwungen, uns um eine Nachfolgerin zu kümmern. Wir haben inzwischen das notwendige Material, das Know-how und durch das Goldgeschäft auch die finanziellen Ressourcen gesichert.«
    »Sie wollen es noch einmal …?« Sinas Stimme versagte.
    Gabriele fuhr für sie fort: »Sie wollen es ein zweites Mal versuchen? Ein atomares Attentat auf New York?«
    »Natürlich«, sagte die Alte ohne jedes Zögern. »So lautet unser Auftrag. Dafür stehen wir im Sold. Ein Scheitern wird nicht akzeptiert.«
    Sinas Augenlider begannen unkontrolliert zu flattern, als sie über die Bedeutung dieser simplen Worte nachdachte: Sie hatten es mit einer Söldnertruppe zu tun, bunt gemischt aus allen möglichen Nationalitäten, deren Auftraggeber das unfassbare Ziel verfolgte, die bedeutendste Metropole der Welt dem Erdbo
    den gleichzumachen. Wer war dieser Auftraggeber? Oder handelte es sich vielmehr um eine Organisation, um eine terroristische Gruppierung? Länder wie Libyen und Afghanistan gingen ihr durch den Kopf, dann dachte sie an das zerfallende Jugoslawien und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion, an Kuba und an China – Amerika hatte viele Feinde. Aber es musste ein besonders mächtiger Feind sein, der es schaffte, wiederholt in den Besitz von Nuklearwaffen zu gelangen.
    »Und«, Gabriele räusperte sich, »wie geht es weiter? Was haben Sie mit uns vor?«
    Die Chefin sah sie teilnahmslos an. So als hätte man sie nach einer buchhalterischen Marginalie gefragt. »Unsere Tarnung ist durch Ihre erneute Einmischung so gut wie aufgeflogen. Wir müssen das sichere Haus aufgeben, die Akademie räumen. Noch heute Nacht. Ehe Ihr Verschwinden jemandem auffällt.«
    »Ich will wissen, was Sie mit uns vorhaben!«, wiederholte Gabriele eindringlich. »Was geschieht mit uns? Wo sollen wir hin?«
    »Nirgendwo. Sie bleiben hier. In diesem Zimmer.« Die Alte deutete mit dem rechten Arm in den hinteren Bereich des Raumes. »Sehen Sie die Maschine mit der Antriebswelle für den Lift? Sie ist alt und störanfällig. Es kann jederzeit zu einem Schmorbrand kommen, der die maroden Kunststoffummantelungen der Kabel entzündet. Das Feuer wird sich schnell
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher