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Beinssen, Jan

Titel: Beinssen, Jan
Autoren: Goldfrauen
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ich bereits getan. Das heißt, ich habe es versucht.«
    »Erzähl!«
    »Ich habe Cornelia Probst angerufen, sie aber nicht erreicht. Jedenfalls nicht unter ihrem Privatanschluss.«
    »Und?«
    »Dann habe ich es im Büro probiert, also in der Zeitungsredaktion, für die sie arbeitet.«
    »Weiter!« Sina spürte bereits wieder ihren wohlbekannten Zorn darüber, dass sie ihrer Freundin in kniffligen Angelegenheiten immer jedes Wort aus der Nase ziehen musste.
    »Ich hatte eine sehr auskunftsfreudige Sekretärin am Apparat, eine Frau Popp. Die berichtete, dass es keine Frau Probst mehr in ihrem Hause gibt.«
    »Wie das?«, fragte Sina irritiert.
    »Ganz einfach: Cornelia Probst hat Knall auf Fall gekündigt. Nach 17 Jahren als Reporterin von heute auf morgen aufgehört. Aus persönlichen Gründen, hieß es.«
    »Das ist wirklich merkwürdig«, sinnierte Sina.
    »Allerdings.«
    »Und – hast du auch bei dem zweiten Kaufinteressenten angerufen?«
    Gabriele verneinte. »Wir sollten uns erst einmal um die erste heiße Spur kümmern, bevor sie erkaltet.«
    Sina, die Gabrieles Bericht bis eben gespannt gefolgt war, wurde misstrauisch: »Was stellst du dir darunter vor?«
    Gabriele lächelte jovial. »Dass wir da mal hinfahren.«
    »Da mal hin …«
    »Ja. Zu ihr nach Hause.« Gabriele wirkte jetzt sehr resolut. »Ich will meinen Sekretär wiederhaben. Oder wenigstens das Geld dafür! Außerdem wollten wir mit ihr doch über Peenemünde reden «
    Sie hatten das Bahnhofsgebäude gerade verlassen und standen nun auf dem betriebsamen Vorplatz, der auch wichtigster Knotenpunkt des städtischen Straßenbahnnetzes war.
    Als sie sich schon verabschieden wollten, fasste Sina ihre Freundin am Ärmel. »Augenblick noch, Gabi.«
    »Ja?«
    »Sag mir eines: Was magst du besonders gern an Nürnberg?«
    »An Nürnberg?« Gabriele pustete ihre Backen auf und stieß die Luft aus. »Alles! Die Menschen, die Bauten, das Essen und am liebsten, ja, am liebsten habe ich die Farben.« Versonnen sah sie sich um. »Das erdige Rot und steinige Ocker der Stadtmauer und ihrer Türme, das silbern schimmernde Grün der Bäume, das träge Kobaltblau des Himmels …«
    »Genau so geht es mir auch«, sagte Sina mit Nachdruck. »Deshalb möchte ich hier in Nürnberg bleiben. Ich habe keinen Bock auf einen weiteren, mit Gefahren verbundenen Ausflug an die Ostsee oder sonst wohin!«
    Gabriele lächelte verständnisvoll. »Dazu sehe ich auch keinen Anlass. – Jedenfalls im Moment noch nicht.«

    5

    Cornelia Probst wohnte im Nürnberger Norden, dem Stadtteil Ziegelstein, unweit des Flughafens und des Reichswaldes. Die Effeltricher Straße lag inmitten des Viertels, und Gabriele und Sina brauchten eine Weile, bis sie die richtige Hausnummer gefunden hatten. Cornelia Probst lebte in einem schlichten Einfamilienhaus älteren Baujahres, das zwar gut in Schuss, aber nicht übermäßig liebevoll gepflegt wirkte. Es gab einen kleinen, sparsam bepflanzten Vorgarten und eine etwas nach hinten versetzte Garage. Wahrscheinlich verbrachte die Journalistin den Großteil ihrer Zeit mit ihrem Job und nicht mit der Haus-und Gartenarbeit, schloss Sina.
    Beide Frauen standen vor der dunkelbraunen Haustür, Sina suchte den Klingelknopf. Doch Gabi hielt sie zurück. Wortlos deutete sie auf den Briefschlitz am unteren Ende der Tür. Die Klappe stand offen, denn sie war durch einen Stapel Zeitungen, Werbewurfsendungen und Briefe blockiert. Sina beugte sich herunter und zog den Papierstoß heraus. Am Datum auf einer der Zeitungen las sie ab, dass diese Ausgabe bereits vom vergangenen Wochenende stammte.
    »Kann es sein, dass deine Kundin verreist ist?«, fragte sie.
    Gabriele guckte skeptisch. »Kann sein. Aber wenn
    ich verreise, bestelle ich normalerweise die Zeitung ab oder sage zumindest einem Nachbarn Bescheid, dass er sie reinholt.«
    »Nicht jeder ist so gewissenhaft wie du«, meinte Sina, war aber selbst im Zweifel.
    Gabriele entfernte sich von der Haustür und spähte durch eines der zur Straße zeigenden kleinen Fenster. Gardinen versperrten ihr die Sicht. »Lass es uns mal von hinten probieren.«
    »Nein, Gabi, das können wir nicht machen«, gab Sina zu bedenken. »Du darfst nicht einfach in einen fremden Garten spazieren!«
    Gabi zeigte, dass sie sehr wohl konnte, und Sina folgte ihr – wenn auch missmutig und mit einem mulmigen Gefühl. Der eigentliche Garten unterschied sich kaum von dem Vorgarten: eine große Rasenfläche, ansonsten nur Büsche und niedrig wachsende
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