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Beinssen, Jan

Titel: Beinssen, Jan
Autoren: Goldfrauen
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Schlaf und wurde so gut wie nie wach, bevor sie der Wecker gegen acht aus dem Schlaf klingelte. Ob das bereits erste Anzeichen des Älterwerdens waren? Die senile Bettflucht?
    Gabriele drehte sich zur Seite und schloss die Augen. Doch kurz darauf öffnete sie sie wieder. Ein Geräusch! Jetzt wusste sie, was sie geweckt hatte. Es war dieses Geräusch gewesen! Langsam richtete sie sich in ihrem Bett auf und knipste die Nachttischlampe an. Angestrengt lauschte sie in die Stille.
    Sie hörte das Ticken ihres Weckers. Die Motoren vereinzelter Autos, die die Pirckheimerstraße entlangfuhren. Das Tropfen eines Wasserhahns, der nicht ganz zugedreht war. Das Miauen einer Katze. Und dann … – es war eindeutig dasselbe Geräusch, das sie aus dem Schlaf gerissen hatte: ein Poltern! Ein Quietschen! So, als würde jemand ein schweres Möbelstück verrücken. Gabi war wie elektrisiert: Das Geräusch kam ohne Zweifel aus ihrem Haus. Von unten. Aus ihrem Antiquitätengeschäft!
    Für einen Moment war sie starr vor Schreck. Natürlich dachte sie sofort an Einbrecher. Sie über
    legte, zum Telefon zu greifen und die Polizei zu alarmieren. Doch was, wenn sie sich täuschte? Wenn alles wieder nur ein Hirngespinst war? Keinesfalls wollte sie sich noch einmal vor den Bullen blamieren.
    Also schob sie die Bettdecke beiseite und schlich sich leise ins Wohnzimmer, wo Sina auf dem Sofa lag, Arme und Beine von sich gestreckt, und leise schnarchte. Gabriele rüttelte sie erst sachte, dann stärker an den Schultern.
    »Was … was ist denn?« Sina rieb sich die Augen.
    »Einbrecher!«, flüsterte Gabriele. »Ich glaube, es sind Einbrecher im Haus!«
    »Was?« Sina war sofort hellwach.
    »Ich habe verdächtige Geräusche aus dem Laden gehört.« Gabriele wirkte unentschlossen, beinahe hilflos.
    Sina setzte sich auf. »Einbrecher sagst du? Das werden wir gleich sehen. Hast du eine Taschenlampe? Und eine Sprayflasche mit Reizgas?«
    »Taschenlampe: ja. Reizgas: nein«, antwortete Gabriele. Dann musterte sie ihre Freundin: »Zieh dir erst mal ein T-Shirt über. Halb nackt, wie du bist, wirst du sonst selbst geklaut.«
    Sina schnappte sich ihre Bluse und spurtete zur Wohnungstür. »Wo ist jetzt die Taschenlampe?«, trieb sie Gabi zur Eile. »Und nimm irgendeine Waffe mit. Meinetwegen ein Messer oder eine Schere.«
    Mit Bratengabel und Kartoffelmesser bewaffnet wagten sich die Frauen ins Treppenhaus. Sie ver
    fluchten bei jedem Schritt abwärts die hölzernen Treppenstufen, die selbst bei sachtem Auftreten verräterische Geräusche von sich gaben. Sehr langsam und überaus vorsichtig näherten sie sich dem Hintereingang des Ladens. Die Tür war mit einer Milchglasscheibe versehen. Sina und Gabriele blieben stehen, konnten jedoch nichts Verdächtiges hören und auch keine ungewöhnlichen Lichtreflexe aus dem Inneren des Verkaufsraums erkennen.
    »Klopft dein Herz auch so wie meins?«, fragte Sina mit gedämpfter Stimme.
    Gabriele fasste sich an die Brust und nickte.
    »Also dann«, machte sich Sina Mut. »Los geht’s!« Mit Schwung riss sie die Tür auf. Sie knipste die Taschenlampe ein und leuchtete in den Raum. »Kommen Sie raus!«, rief sie in die Leere. »Die Polizei wird jeden Moment hier sein!«
    Auch Gabriele traute sich jetzt vor. Sie stellte sich an die Seite ihrer Freundin, folgte mit ihren Blicken dem Strahl der Taschenlampe. Im Kegel des Spots tauchten einzelne Antiquitäten auf, die im diffusen Licht einen unheimlichen Eindruck machten: ein in Stein gehauener Erzengel, der grotesk verzogene Schattenwurf eines mundgeblasenen venezianischen Glasschwans, ein Kruzifix. Gabriele gab sich einen Ruck und ging die wenigen Schritte bis zur Schalterleiste. Mit einem Klick wurde der Verkaufsraum in ein helles Licht getaucht.
    Die lähmende Anspannung der Dunkelheit wich dem Adrenalinschock des blendenden Weiß. Beide
    Frauen, die bis eben mit weit aufgerissenen Augen in die Finsternis gestarrt hatten, hielten zum Schutz vor den aufflackernden Neonleuchten ihre Arme vors Gesicht. Sie brauchten einige Sekunden, um sich an die Helligkeit zu gewöhnen.
    Dann aber taxierte Gabriele den Raum genauso, wie es Sina tat. Beide erkannten schnell, dass sie allein waren. Sie fühlten es mehr, als es zu sehen, doch sie waren sich bald sicher: Der oder die Einbrecher waren längst fort.
    Aber es war zweifelsfrei jemand hier gewesen, davon waren sie ebenso fest überzeugt: In dem Laden hatte sich vor gar nicht langer Zeit ein Unbefugter herumgetrieben! Gabriele
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