Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Beinssen, Jan

Titel: Beinssen, Jan
Autoren: Goldfrauen
Vom Netzwerk:
einen gut sitzenden Anzug, der sicher nicht billig gewesen war. Seine blank geputzten Schuhe sahen ebenso nach Markenware aus wie die korrekt gebundene Krawatte. Sina registrierte noch die maskulinen Attribute – breite Schultern, markantes Kinn und volles schwarzes Haar –, bevor sie ihren Männer-Check beenden musste, da ihr Gegenüber sich räusperte und Anstalten machte, etwas zu sagen.
    »Grüß Gott«, beeilte sich Sina ihm zuvorzukommen und überspielte ihr rein privates Interesse an dem Mann mit einem aufgeräumten Gesichtsausdruck. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Tag«, grüßte der Mann knapp zurück.
    Seine Stimme war tief, ein angenehmer Bass. Rrrrrrr – Sina war mehr als angetan. »Suchen Sie nach etwas Bestimmtem?«, flötete sie und ärgerte sich, dass sie den Lippenstift nicht erneuert hatte.
    Der Mann sah sich um, ohne Sina weitere Beachtung zu schenken. Sehr schnell richtete sich seine Aufmerksamkeit auf ein Möbelstück, das an der Wand seitlich des Schaufensters stand. Sina überlegte, ob es sich um eine Anrichte handelte. Oder nein, es war doch eher ein Sekretär.
    »Das ist ein, äh … eines unserer Highlights«, rang sich Sina ab, ohne eine Ahnung davon zu haben, was sie da sagte. »Uraltes Tropenholz.«
    Der Mann strich mit beiden Händen über die Oberfläche des Möbelstücks. »Das ist kein Tropenholz«, sagte er trocken. »Biedermeierstil. Nussbaum. Echte
    deutsche Wertarbeit.« Endlich wandte er sich Sina zu: »Ich nehme ihn. Was bekommen Sie von mir?«
    Auf diese Frage wäre Sina spontan so einiges eingefallen, aber sie riss sich zusammen. »Es tut mir leid. Ich bin hier nur eine Art Aushilfe. Ich kann Ihnen nichts verkaufen.« Weil der Mann sie so intensiv ansah, fügte sie eilig hinzu: »Wenn Sie mögen, reserviere ich den Schrank für Sie.«
    »Ja«, entgegnete der Mann und wirkte ungeduldig. »Ja, unbedingt. Ich will diesen Sekretär haben. Der Preis spielt keine Rolle.« Er griff in die Innentasche seines Jacketts und holte mit einer fließenden Bewegung eine Visitenkarte hervor, die er Sina reichte.
    Bei der Übergabe berührte Sina kurz seine Finger. »Danke, Herr …« Sie las den Namen von der Karte ab. »Herr Kilian.«
    »Bitte. Melden Sie sich, sobald Sie das Okay Ihres Chefs haben?«
    »Ja, natürlich«, erwiderte Sina. Dabei lächelte sie wie ein Teenager, kam sich allmählich aber albern vor wegen ihres pubertären Verhaltens. Single-Frauen können schrecklich penetrant sein, rügte sie sich selbst.
    Herr Kilian reagierte mit einem verhaltenen Schmunzeln. Dann neigte er den Kopf und verabschiedete sich mit einem gemurmelten: »Schönen Tag noch.«
    Als er den Laden verließ und die Türglocke zum Bimmeln brachte, atmete Sina erleichtert auf. »Puh!« Solche Verkaufsgespräche waren ganz und
    gar nicht ihr Ding. Sie war froh, als wenige Minuten später Gabriele zurückkam und eine Tüte mit Quarkbällchen schwenkte. In der anderen Hand hielt sie eine Einkaufstasche mit Lebensmitteln und Getränken.
    »Hilf mir, die Sachen in den Kühlschrank zu packen«, befahl sie gehetzt. Sie drückte Sina die Tasche in die Hand und drehte das Türschild um. »Das Geschäft sperren wir so lange zu.«
    Sina wartete, bis sie die Wohnung im Stockwerk über dem Laden erreicht und die Vorräte verstaut hatten, bevor sie auf den von ihr vertrösteten Kunden zu sprechen kam. In der Annahme, dass Gabriele sie für ihr Handeln loben würde, traf sie die Schelte umso heftiger:
    »Du hast was?« Gabriele riss die Augen auf. »Da hat sich endlich ein Kunde für diesen Ladenhüter gefunden, noch dazu einer, der nach Geld riecht, und dir fällt nichts besseres ein, als ihn fortzuschicken?«
    »Ja, aber …« Sina war baff.
    »Kein Aber! Du hast mir möglicherweise das Geschäft der Woche verdorben. Ach, vielleicht sogar des Monats«, ärgerte sich Gabriele. Sie durchstreifte mit ausladenden Schritten ihre kleine Küche.
    »Aber ich konnte nicht wissen, ob ich den Sekretär herausgeben durfte und zu welchem Preis. Außerdem hattest du doch gesagt, du hättest so ein Teil bereits für diese Journalistin reserviert.«
    »Die Kundin hat sich aber nicht mehr gemeldet.
    Die hat sicher längst das Interesse verloren. Wahrscheinlich war es sowieso nur ein Vorwand, um mich über Peenemünde auszuquetschen«, fuhr sie Gabriele an. »Als Geschäftsfrau muss man flexibel sein, wenn sich eine neue Chance bietet.«
    Sina stieß sich mit den Füßen vom Boden ab und schwang sich auf die Küchenanrichte. »Das
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher