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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester
Autoren: Jodi Picoult
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Leuten anhören mußte.
    Â»Ich habe eine eiserne Lunge«, sagt Campbell Alexander knapp, »und der Hund paßt auf, daß ich nicht zu nah an Magneten rangehe. Also, wärst du jetzt wohl so freundlich zu gehen? Meine Sekretärin nennt dir jemanden, der –«
    Aber ich kann noch nicht gehen. »Haben Sie wirklich Gott verklagt?« Ich hole alle Zeitungsausschnitte hervor und streiche sie auf dem nackten Schreibtisch glatt.
    Ein Muskel in seiner Wange zuckt, und dann nimmt er den Artikel, der obenauf liegt. »Ich habe die Diözese von Providence verklagt. Mein Mandant war ein Junge aus einem Waisenhaus der Diözese, der eine experimentelle Behandlung mit fötalem Gewebe brauchte. Die Diözese sah darin einen Verstoß gegen das Zweite Vatikanische Konzil. Es macht als Schlagzeile allerdings weit mehr her, wenn man sagt, daß ein Neunjähriger Gott verklagt, weil er im Leben benachteiligt wurde.« Ich blicke ihn bloß an. »Dylan Jerome«, fährt er fort, »wollte Gott verklagen, weil der sich nicht genug um ihn gekümmert hat.«
    Es hätte mich nicht gewundert, wenn jetzt ein Regenbogen mitten auf dem großen Mahagonitisch erschienen wäre. »Mr. Alexander«, sage ich, »meine Schwester hat Leukämie.«
    Â»Das tut mir leid. Aber selbst wenn ich bereit wäre, noch einen Prozeß gegen Gott zu führen, was nicht der Fall ist, kannst du nicht für jemand anderen Klage erheben.«
    Ich müßte ihm viel zuviel erklären – mein Blut, das in die Venen meiner Schwester fließt; die Krankenschwestern, die mich festhalten, um mir Blut abzuzapfen, weil meine Schwester weiße Blutkörperchen braucht; der Arzt, der sagt, beim ersten Mal hätte es nicht gereicht. Die blauen Flecke und die Schmerzen im Knochen, nachdem ich Knochenmark gespendet habe; die Spritzen, die meine Stammzellen vermehren sollen, damit für meine Schwester welche übrig sind. Die Tatsache, daß ich nicht krank bin, aber es durchaus werden könnte. Die Tatsache, daß ich nur geboren wurde, damit ich für Kate abgeerntet werden kann. Die Tatsache, daß selbst jetzt eine schwerwiegende Entscheidung über mich getroffen wird, ohne daß es jemand für nötig hielt, die Person zu fragen, die es am ehesten verdient hätte, ihre Meinung dazu zu äußern.
    Ich müßte ihm viel zuviel erklären, deshalb sage ich nur: »Ich will nicht Gott verklagen. Bloß meine Eltern. Ich verlange das Recht, über meinen Körper selbst zu bestimmen.«
    CAMPBELL
    Wenn du nur einen Hammer hast, sieht alles wie ein Nagel aus.
    Das war ein Spruch von meinem Vater, dem ersten Campbell Alexander, und ich sehe darin den Grundstein des amerikanischen Rechtssystems. Das bedeutet, wenn jemand in die Ecke gedrängt wird, versucht er mit allen Mitteln, zurück in die Mitte zu gelangen. Manche setzen dabei die Fäuste ein, andere gehen vor Gericht. Und darüber freue ich mich besonders.
    Am Rand meines Schreibtisches hat Kerri die Nachrichten für mich genauso arrangiert, wie ich es möchte – dringende stehen auf grünen Post-it-Zetteln, weniger eilige auf gelben, in säuberlichen Reihen untereinander wie bei einer Patience. Eine Telefonnummer springt mir ins Auge, und ich runzele die Stirn, schiebe dann den grünen Zettel auf die gelbe Seite. Ihre Mutter hat viermal angerufen!!! hat Kerri geschrieben. Dann überlege ich es mir anders, zerreiße den Zettel und werfe ihn in den Papierkorb.
    Das Mädchen mir gegenüber wartet auf eine Antwort, die ich bewußt hinauszögere. Sie sagt, sie möchte ihre Eltern verklagen. Das möchte praktisch jeder Teenager auf diesem Planeten. Aber sie möchte das Recht auf ihren Körper erstreiten. Genau solche Fälle meide ich wie die Pest – sie sind viel zu aufwendig und machen mich zum Babysitter eines Mandanten. Seufzend stehe ich auf. »Wie heißt du noch mal?«
    Â»Ich habe meinen Namen noch nicht gesagt.« Sie setzt sich aufrechter hin. »Ich heiße Anna Fitzgerald.«
    Ich öffne die Tür und brülle meiner Sekretärin zu: »Kerri! Suchen Sie doch für Ms. Fitzgerald die Nummer von der Frauenberatung raus, ja?«
    Â» Was? « Als ich mich umdrehe, steht das Mädchen. »Frauenberatung?«
    Â»Hör zu, Anna, ich gebe dir jetzt einen kleinen Rat. Deine Eltern zu verklagen, weil sie dir nicht die Pille erlauben oder nicht
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