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Bei Rotlicht Mord

Bei Rotlicht Mord

Titel: Bei Rotlicht Mord
Autoren: Léo Malet
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meiner
Großmutter stammte. Mechanisch oder von einem ganz besonderen Instinkt
geleitet, öffnete er die oberste Schublade des Erbstücks und holte die Smith & Wesson hervor, die zwischen der Wäsche gelegen hatte. Einen
Augenblick lang begutachtete er sie mit Kennerblick, bevor er sie einsteckte.
Eine hübsche Ausbeute!
    „Sie sind also Privatdetektiv“, sagte
der Steuerbeamte. „Mit anderen Worten: einer, der seine Nase in Dinge steckt,
die ihn nichts angehn. Sie haben doch Marengo geschnappt, stimmt’s?“
    „Marengo? Ach, Sie meinen Mairingaud?“
    „Das bleibt sich doch gleich!“
erwiderte er böse, so als hätte ich ihm auf den Fuß getreten.
    „Gehören Sie zu seinen Kumpels?“
    „Ganz genau!“
    Damit war die Unterhaltung beendet. Er
steckte seinen Revolver ein und fing an, das Zimmer auf den Kopf zu stellen.
Kurz darauf herrschte das schönste Durcheinander. Dann ging er in die anderen
Räume und setzte die Hausdurchsuchung fort, nach deren Beendigung ich wohl um
einen weiteren Revolver ärmer sein würde. Ich hatte noch einen Webley in
Reserve. Mehr oder weniger gut versteckt, wartete er im Garderobenschrank im
Flur auf seinen Einsatz. Wenn der Kleine ihn entdeckte, würde er bestimmt dasselbe
tun wie sein Freund, der Kraftprotz. Der sah mich verschmitzt an und sagte:
    „Na? Interessant, das Fernsehen, so
hinter den Kulissen?“
    „Sehr“, erwiderte ich. „Vor allem,
wenn man auf seinen eigenen Beinen rausspazieren kann.“
    Der Boxer lachte wie ein Lachsack.
    „Was man heute nicht von allen
behaupten kann, was?“ sagte er glucksend.
    „Schnauze!“ schrie der andere, der
inzwischen von seiner Expedition zurückgekehrt war.
    Er ähnelte immer mehr dem
Steuerbeamten, von dem ich gesprochen habe. Hatte denselben Gesichtsausdruck,
so als hätte man ihn reingelegt.
    „Nichts gefunden?“ fragte ich.
    „Sieht nicht so aus, als hätten Sie
Ihre Akten offen rumliegen“, gab er als Antwort zurück.
    „Meine Akten befinden sich an einem
sicheren Ort.“
    „An einem sicheren Ort? Daß ich nicht
lache! Wenn Sie die Büroräume Ihrer Agentur in der Rue des Petits-Champs sehen
würden...!“
    „Ach, da waren Sie auch schon?“
    Er gab keine Antwort, starrte mir nur
auf die Stirn, als wolle er meine Falten zählen. Dabei trat er verlegen von
einem Fuß auf den andern. So wie jemand, der nicht weiß, wie er sich aus der
Affäre ziehen soll, wenn eine Situation sich nicht wie vorgesehen entwickelt.
    „Die Antwort auf die Fragen, die ich
mir stelle“, sagte er schließlich, „befindet sich irgendwo in Ihrem Kopf. Da
ich sie aber nicht gleich hier aus Ihnen herausprügeln kann, sehe ich mich
gezwungen, Sie zu bitten, uns zu begleiten. Wir werden mit Ihnen hinaus aufs
Land fahren.“
    Sprach er im Ernst, oder war das nur
dummes Gequatsche? Mir blieb keine Zeit, mir darauf eine Antwort zu geben. Es
passierte nämlich etwas, was meine Gedanken — und die meiner Besucher — in eine
ganz andere Richtung lenkte.
    Zum zweiten Mal in dieser Nacht
klingelte es an meiner Wohnungstür.
    So leise und geschmeidig wie eine
Katze stürzte sich der Größere der beiden auf mich und hielt mir mit seiner
schwarzbehandschuhten Pranke den Mund zu. Der Kleine spannte seine Muskeln,
brachte die Kanone wieder in Anschlag und hielt den Atem an.
    Es wurde wieder geklingelt. Ich hörte,
wie jemand meinen Namen rief, und erkannte die Stimme von Florimond Faroux.
    Der kleinere Gangster beugte sich über
mich und flüsterte mir ins Ohr, wobei er mich mit dem Revolverlauf an den
Rippen kitzelte:
    „Sie werden jetzt fragen, wer da ist.
Und zwar ganz ruhig, ganz gelassen. Und keine Zicken, verstanden? Danach sehen
wir, wie’s weitergeht.“
    Die Riesenpranke seines Komplizen hob
das Redeverbot wieder auf.
    „Ich kann Ihnen wohl sagen, wer da vor
der Tür steht und klingelt“, sagte ich. „Da brauche ich gar nicht zu fragen. Es
ist ein Flic, Kommissar Faroux.“
    „Fragen Sie trotzdem!“
    Der Kleine gab dem Großen ein Zeichen.
Der Hüne packte mich und schleppte mich beinahe unterm Arm in den Flur. Dort
hielt er mich am Hemdkragen fest, so daß ich auf meinen gefesselten Beinen
nicht umfallen konnte. Zwei Revolver waren jetzt auf mich gerichtet: einer auf
meine Nieren, der andere auf meine Leber. Der Steuerbeamte zischte mir zu:
    „Los, fragen Sie!“
    „Wer ist da?“ fragte ich.
    „Ich bin’s, Faroux. Störe ich?“
    „Aber nein!“ rief ich erfreut. „Ich
mach sofort auf.“
    Kaum hatte ich die Worte, die mir
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