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Begegnung im Schatten

Begegnung im Schatten

Titel: Begegnung im Schatten
Autoren: Alexander Kröger
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fort: „Marianne, du gehst auf die Übergabestation, das dauert dort länger. Der…“, er deutete auf den Bagger, „bleibt stehen, bis das…“, nun wies er auf die Höhle im Flöz und auf das Fundstück „untersucht, beziehungsweise frei gegeben ist, klar?“
    „Aber…“, Fritz Hegemeister hob zum Widerspruch an und wurde von Mattau schroff unterbrochen:
    „Kein Aber! Das…“, er schüttelte nachhaltig den Kopf, „ist ungeheuerlich! Ich informiere unsere Leitung. Mach dich auf Heerscharen gefasst.“
    „Was iss’n das?“, fragte Marianne Huber abermals, diesmal drängend. Sie zeigte auf das Metallding, das, doppelt so groß wie der daneben stehende Geländewagen, von den ersten Sonnestrahlen getroffen wurde. Es warf einen unheimlichen, gezerrten Schlagschatten. Trotz seiner kohligen Oberfläche entstand ein matt silberner Glanz.
    Wiederum antwortete keiner.
    „Nennen wir es doch einfach Shuttle. Das Ding sieht aus wie einer, und die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass es einer ist.“ Jens Hartmann hob die Schultern und blickte herausfordernd in die Runde, als wollte er fragen, ob jemand anderer Meinung sei oder einen besseren Vorschlag habe.
    Es hatte sich einiges getan zwischen dem Zeitpunkt, als Fritz Hegemeister das vermeintliche Blech aus der Kohle fräste und dem Eintreffen einer illustren Runde von so genannten Fachleuten, örtlichen Größen und Menschen, die zu ungewöhnlichen Ereignissen gerufen werden wollten: Der Hauptgeschäftsführer der BRAUNAG und von diesem geladen: selbstverständlich der Tagebau- und der Schichtleiter, der Landrat, die Vorsteherin des Amtes für Umwelt, ein Vertreter der Freiwilligen Feuerwehr ein Polizei-Oberrat und schließlich Hartmann, seines Zeichens Referent für Denkmalpflege der Kreisstadt.
    Außer euphorischen Ausrufen, stummem, ehrfürchtigem Staunen, gewichtigen Mienen und Herumgerate war bislang der Runde nichts Bedeutendes entsprungen – bis auf Hartmanns Namensvorschlag, der offenbar – stumm zwar – akzeptiert wurde.
    Glücklicherweise hatte man zunächst weder die Presse noch das örtliche TV-Studio informiert, um, wie der Hauptgeschäftsführer erklärte, aus Sicherheitsgründen ein Massenbegängnis und einen Sensationsrummel zu vermeiden, vielleicht aber auch, um die Hilflosigkeit der lokalen Honoratioren nicht in die Öffentlichkeit geraten zu lassen.
    Fritz Hegemeister schilderte, da die Herrschaften nicht gleichzeitig am Ort des Geschehens erschienen, zum wiederholten Male, wie er den mysteriösen Körper angetroffen hatte. Und er versäumte nicht, besonders auf die komplizierte Bergung hinzuweisen. Durch allerlei Verrenkungen und Gestik versuchte er zu demonstrieren, wie er unterschnitten, gegraben und den ungelenken Bagger gesteuert hatte, bis sich der Fund so gut wie unbeschädigt auf dem Planum befand.
    Auf Weisung des Geschäftsführers beorderte der Schichtleiter einen Wasserwagen zur Stelle, und gemeinsam mit dessen Fahrer spritzte Fritz Hegemeister den Kohleschmutz vom Shuttle.
    Neben dem makellosen matten grausilbrigen Glanz kamen einige feine Fugen zum Vorschein, die mutmaßlich Deckel, Klappen oder Türen umrissen. Griffe, Schlösser oder sonstige Anbringsel hingegen fehlten. Selbst Vorrichtungen, die mit einem Antrieb in Zusammenhang gebracht werden könnten, ließen sich nicht ausmachen.
    „Das Flöz, eines der jüngsten, stammt aus dem Miozän, einer Epoche des Tertiärs“, dozierte der Geschäftsführer in eine Pause personifizierter Ratlosigkeit hinein.
    Die Anwesenden wandten sich ihm zu, offensichtlich hoffend, etwas zu hören, das zum Handeln im Zusammenhang mit diesem unerhörten Ereignis fuhren würde.
    „Das liegt wohl eine ganze Weile zurück“, stellte der Feuerwehrmann mit einem gewichtigen Kopfnicken fest.
    „Oh doch, so zirka zehn Millionen Jahre.“ Es klang wie ein stimmhafter Seufzer.
    „Zehn Millionen“, echote der Polizei-Oberrat. Sein Gesicht hatte einen bedeutungsvollen, wie ehrfürchtigen Ausdruck angenommen. Er blickte in die Runde, als wollte er etwas von seinem Empfinden auf die anderen übertragen.
    „Das heißt also“, ergänzte die Dame vom Umweltamt forsch, „dass das, das – Dings vor zehn Millionen Jahren in das Flöz gedrungen ist?“ Erst im letzten Augenblick münzte sie ihre Feststellung in eine Frage um.
    „Nicht ins Flöz“, warf der Tagebauleiter kopfschüttelnd ein.
    Mehrere der Runde blickten ihn erstaunt und fragend an.
    „In die damalige Landschaft“, erklärte er ein
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