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Begegnung im Schatten

Begegnung im Schatten

Titel: Begegnung im Schatten
Autoren: Alexander Kröger
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frei.
    Dann hielt Fritz den Koloss abermals an und begab sich bis zur Radachse vor.
    Obwohl fest eingeschmiegt in dunkelbrauner Kohle war deutlich eine schräg aus dem Stoß herausragende helle Blechtafel…
    „Nein“, widersprach Fritz laut. „Ein, ein Werkstück ist das…“
    Etwa auf drei Meter Länge lugte das Ding aus der Kohle, wulstig links; nach rechts und nach vorn, dort wo die Schaufel die Wellenlinie gebissen hatte, spitz auslaufend.
    „Unterschneiden, ‘s nützt nichts!“, wies Fritz sich an.
    Er ging zurück, ließ erneut die Motoren aufbrummen, und er senkte das Rad so weit ab, dass die jeweilige Grabschaufel etwa anderthalb Meter unter dem Gegenstand ansetzen würde. Dass er dabei das Planum unterschneiden musste, ließ ihn gleichgültig. Schließlich galt es, anderer Leute Unrat zu beseitigen. Aber er trug die Position des Baggers mit einem entsprechenden Vermerk ins Schichtbuch ein. Natürlich würde er die Mulde, die er in die Arbeitsebene grub, wieder verfallen. Aber die damit verbundene Auflockerung würde die Standfestigkeit des Großgerätes beeinträchtigen, wenn es im weiteren Vorrücken den Bereich befuhr.
    Dann begann Fritz vorsichtig zu baggern. Doch plötzlich hielt er inne. „Verdammt“, fluchte er, „das Hauptband steht doch; ich schütt’ ja alles zu! Mist, elender!“
    Er benötigte zehn Minuten, bis er die Abwurfschurre in eine solche Position gebracht hatte, dass er die neben das Förderband zu schüttende Kohle später würde wieder aufnehmen können. Langsam stieg Ärger in dem Mann an. Zeit würde die Pfriemelei kosten und unnötige Mühe machen…
    Dann schnitt er weiter, Schwenk um Schwenk, Span um Span, darauf bedacht, das Blech mit den Schaufeln zunächst nicht zu berühren.
    Fritzens Ärger ging langsam in eine grimmige Freude über. „Ich werd’ euch zeigen“, sagte er, „dass ich euren Dreck auch ohne Hilfsgerät säuberlich rauskriege!“
    Nur eine Sekunde kamen ihm die sechs entlassenen Kumpel aus der Abteilung in den Sinn, und er wusste, dass es ohnehin echte Schwierigkeiten gäbe, wollte man ihm schnelle Hilfe leisten.
    Doch plötzlich stieg in Fritz eine siedendheiße Welle an. Mit einem heftigen Ruck, weil aus voller Fahrt, setzte er das Aggregat still. Der Sessel ächzte. Fritz biss sich auf die Lippe. Wie ein Schwindel überfiel ihn Gedankenleere. Doch nach Augenblicken meldete sich die Frage mit Wucht: „Wie kommt ein verdammtes Blech in die Kohle?“
    Minutenlang saß Fritz stumm, unfähig, Weiteres als eben diesen Satz zu denken, der in seinem Kopf umging wie eine Schlange, die sich in den Schwanz gebissen hatte.
    Er ließ die Maschinen wieder anlaufen, schnitt weiter, langsam wie in Trance, setzte das Schaufelrad über dem Gegenstand an, versuchte, ihn gleichsam aus dem Flöz herauszuschälen. Dann untergrub er ihn vorsichtig weiter. Kohle rieselte, gab immer mehr von dem Blech frei.
    Plötzlich löste sich das Herausragende aus dem Flöz, rutschte den Kohlestoß hinunter, glitt aus dem Lichtkegel der Scheinwerfer.
    Fritz dirigierte das Baggermonster mit Fahrwerk und Vorschub, senkte den Ausleger, bis er das Ding wieder im Hellen hatte.
    Unfähig zum Denken und Handeln, starrte der Mann ungläubig auf den Gegenstand.
    Erst nach und nach formte sich aus dem Gewirr in seinem Kopf heraus dröge der abseitige Satz: ,Das wird die Kohle wieder ins Gerede bringen – zwar keine Tonne Absatz mehr – aber »der Kohlekumpel und Baggerfahrer Fritz Hegemeister hat…« wird man sagen!’ Nach Minuten der Sammlung griff er zum Telefon: „Sag’ dem Steiger Bescheid. Ich hab’ ein Ding, ein Ding ausgebaggert – aus der Kohle. Das sieht aus wie, – wie das, was die Amis haben, nur kleiner… Wie ein, ein Shuttle…“

1. Teil
    Der Morgen dämmerte.
    Noch lagen Arbeitsebenen und Geräte im tiefen Schatten. Aber drüben über der höchsten Rippe der Kippe, als brenne der Kamm, fraß sich langsam gleißendes Licht herauf. Ein schöner Frühsommertag würde es werden.
    Wie verloren stand Fritz Hegemeister neben dem Blechmonstrum, das er nachts aus der Kohle gelöst hatte. Übermannshoch und stromlinienförmig, in der Tat einem Shuttle ähnlich, lag es da, kohlebeschmiert ohne sichtbare Zeichnung. Die Zähne des Schaufelrades hatten zwar vorn – wo war vorn? – eine Kante leicht wellig verformt und die Oberfläche silbrig angeritzt, aber keinen wirklichen Schaden verursacht. ,Hartes Zeug’, dachte Fritz. Er hieb mit der Faust an die Wandung, die aber
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