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Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Titel: Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
Autoren: Niko Paech
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nur iPad-Kompatibilität und globale Entgrenzung als Lebenskunst vermittelt worden ist, dann wohl reagieren?
    Sinnvoll könnte eine Akzentverlagerung von der abstrakten zur handwerklichen Befähigung und Sesshaftigkeit sein. Kinder und Jugendliche benötigen das Rüstzeug dafür, ein verantwortbares Leben innerhalb ökologischer Grenzen zu gestalten. Die Verankerung einer Nachhaltigkeitsbildung als Pflichtfach, und zwar aufbauend auf der bereits angesprochenen Subjektorientierung, wäre dabei das Mindeste. Wer im 21. Jahrhundert nicht einmal in der Lage ist, sein eigenes Leben im Hinblick auf globale Übertragbarkeit zu reflektieren, kann niemals zur nachhaltigen Entwicklung, geschweige denn zur Postwachstumsökonomie beitragen.
    Nicht nur daran anknüpfend, sondern ganz im Sinne einer Lebensstilpolitik könnten Unternehmen verpflichtet werden, alle Produkte und Dienstleistungen mit dem CO 2 -Footprint oder ökologischen Fußabdruck entlang des gesamten Lebenszyklus zu kennzeichnen. Erwägenswert wären Einschränkungen oder (punktuelle) Verbote von Werbung, speziell im öffentlichen Raum und wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind.
    Die Verteilungs- und Steuerpolitik könnte unter anderem Obergrenzen für Einkommen und Vermögen umfassen. Entscheidend sind Maßnahmen, die Arbeitszeitverkürzungen und -umverteilungen sowohl im privaten als auch öffentlichen Sektor erleichtern. Für die Phase des Übergangs zu einer Postwachstumsökonomie kann es für die Sozialpolitik erforderlich werden, geeignete Formen eines Bürgergeldes oder Grundeinkommens zu entwickeln. Dieses wäre jedoch an gemeinnützige Tätigkeiten und Bedürftigkeit geknüpft.
    Die Auflistung aller geeigneten Maßnahmen einer Postwachstumspolitik würde den vorliegenden Rahmen sprengen. Deshalb wurden hier nur die wichtigsten Ansatzpunkte benannt.
    Abgesehen davon dürfte eine Postwachstumsökonomie ohnehin jeden politischen Akteur überfordern, solange die Systemlogik zeitgenössischer Konsumdemokratien durch einen Überbietungswettbewerb in Bezug auf weitere Freiheits- und Wohlstandsversprechungen gekennzeichnet ist. Dementsprechend hat das Festhalten an der sogenannten Macht- oder Systemfrage bislang nur in eine Sackgasse geführt.
    Einem Überfluss an wohlfeilen politischen Forderungen, die die Welt retten, verbessern oder gerechter machen sollen, stehen umso eklatantere Defizite an gelebten sozialen Praktiken gegenüber, die mit der Situation vereinbar wären, die dann resultierte, wenn der geforderte Wandel einträte. Wenn wir die im Kapitel IV begründete These ernst nehmen, wonach keine technischen Lösungen für das Wachstumsproblem in Sicht sind, verbleiben allein Reduktionsstrategien. Davon würden unsere Lebensstile unweigerlich angetastet. Aber wer wählt eine Politik, die eine weitere Ausübung des eigenen, nicht zur Disposition gestellten Lebensstils in Frage stellen würde? Daraus folgt erstens, dass taugliche Gesellschaftskritik – zumindest im Kontext der Postwachstumsökonomie – zuvorderst die Lebensstilfrage thematisieren muss, ohne deshalb politische Forderungen auszublenden. Zweitens sind wachstumskritische Zukunftsentwürfe, deren Umsetzung auf Gedeih und Verderb von politischen Weichenstellungen abhängig sind, reine Zeitverschwendung. Keine demokratisch gewählte Regierung eilt einem gesellschaftlichen Wandel voraus, sondern immer nur hinterher, um kein Risiko einzugehen. Folglich können wir uns die Folgen des notwendigen Wandels nicht länger vom Hals halten, indem wir sie bequem an die Politik oder Technik delegieren. Politische Entscheidungsträger werden sich erst zu einer Postwachstumspolitik ermutigt fühlen, wenn sie hinreichend glaubwürdige Signale für die Bereitschaft und Fähigkeit der Gesellschaft empfangen, diesen Wandel auch auszuhalten.

Fazit
Wir haben (noch) die Wahl!

    Es versteht sich von selbst, dass die hier skizzierte Postwachstumsökonomie momentan bestenfalls einer Minderheit akzeptabel erscheint. Die Transition Town-, Urban Gardening- oder Repair-Bewegung sind Beispiele für Pionierleistungen, die zumindest einiges von dem vorwegnehmen, was absehbar auch auf den Rest der Gesellschaft zukommen dürfte. Der seit vier Jahrzehnten kontinuierlich thematisierte Bewusstseins- oder Kulturwandel, ohne den der Übergang zu einer bescheideneren Ausformung von Wohlstandserwartungen nicht zu schaffen sei, verweist auf eine Gespensterdebatte – so als verfügten wir über eine Alternative. Die immens
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