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Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Titel: Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
Autoren: Niko Paech
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Leistungen, die von der kreativen Wiederverwertung ausrangierter Gegenstände über Holz- oder Metallobjekte in Einzelfertigung bis zur semiprofessionellen »Marke Eigenbau« reichen. Tauschringe, Netzwerke der Nachbarschaftshilfe und die Bewegung der »Transition Towns« sind nur einige Beispiele dafür, dass lokal erbrachte Leistungen über den Eigenverbrauch hinaus einen Leistungstausch auf lokaler Ebene erlauben. Dies gilt erst recht für lokal erzeugte Güter in Form von Services wie etwa Vorträge, Unterricht, Schulungen, Beratungen, künstlerische Darbietungen, Pflegeleistungen etc.
    Werden diese drei Outputkategorien (Gemeinschaftsnutzung, Nutzungsdauerverlängerung, Eigenproduktion) je nach individuellen Neigungen, Fähigkeiten und Umfeldbedingungen kombiniert, bilden sie einen reichhaltigen Fundus, aus dem sich Ergänzungen des in einer Postwachstumsökonomie deutlich verringerten monetären Einkommens schöpfen lassen. Sie bewirken, dass beispielsweise eine Halbierung der Industrieproduktion und folglich der monetär entlohnten Erwerbsarbeit keineswegs per se den materiellen Wohlstand halbieren müsste: Wenn Konsumobjekte doppelt so lange und/oder doppelt so intensiv genutzt werden, reicht die Hälfte an industrieller Produktion, um dasselbe Quantum an Konsumfunktionen oder »Services«, die diesen Gütern innewohnen, zu extrahieren. Diese Auslegung von urbaner Subsistenz bildet trotz oberflächlicher Ähnlichkeiten zum Effizienzdiskurs, der auf Dienstleistungsmärkte zielt, eher dessen Widerpart. Warum?
    Erstens beruhen die Entlastungseffekte der obigen Subsistenzformen nicht auf einer ökologischen Entkopplung industrieller Arbeitsteilung, sondern setzen deren Rückbau voraus. Zweitens sind es hier keine kommerziellen Unternehmen, die als Anbieter eigentumsersetzender Services (z. B. Carsharing, Leasing-Modelle, kommerzielle Verleihsysteme) letztlich das Fremdversorgungsregime – wenngleich auf Basis erhöhter Nutzeneffizienz – aufrechterhalten. Vielmehr sind es die Nutzer selbst, welche durch den allmählichen Wandel vom Konsumenten zum »Prosumenten« oder »Koproduzenten« die ökonomische Souveränität erlangen, kraft eigener substanzieller, manueller und sozialer Kompetenzen Industrieproduktion zu ersetzen. Insoweit die damit einhergehende Entkommerzialisierung das Tauschmittel Geld überflüssig macht, weil die Subsistenzleistungen im lokalen Nahraum entstehen, würden Wertschöpfungsbeziehungen eine bestimmte Komplexität nicht überschreiten. Zudem benötigen derartige Prozesse keine oder nur vernachlässigbare Investitionen, also kein Fremd- und Eigenkapital, induzieren also insgesamt keine strukturellen Wachstumszwänge.
    Die drei Grundformen der urbanen Subsistenz sind zwar dadurch gekennzeichnet, dass sie ein prägnant zurückgebautes Industriesystem ergänzen und dessen vormaligen Output teilweise substituieren, stellen jedoch zugleich eine synergetische Verbindung zu industriellen Artefakten her. Schließlich bleiben es Objekte aus arbeitsteiliger Industrieproduktion, deren Nutzung durch Hinzufügung eigener Subsistenzinputs verlängert und/oder intensiviert wird. Bei diesen Subsistenzinputs handelt es sich um marktfreie Güter. Sie erstrecken sich auf drei Kategorien:

1. Eigene Zeit, die aufgewandt werden muss, um handwerkliche, substanzielle, manuelle oder künstlerische Tätigkeiten verrichten zu können.
2. Handwerkliche Kompetenzen sowie Improvisationsgeschick, um Potenziale der Selbstver sorgung und Nutzungsdauerverlängerung eigenhändig praktizieren zu können.
3. Soziale Beziehungen, ohne die subsistente Gemeinschaftsnutzungen undenkbar sind.

    Kreative Subsistenz kann mehrere Input- und Outputkategorien kombinieren. Angenommen, Prosument A lässt sich ein defektes Notebook von Prosument B, der über entsprechendes Geschick verfügt, reparieren und überlässt ihm dafür Bio-Möhren aus dem Gemeinschaftsgarten, an dem er beteiligt ist. Dann gründet diese Transaktion erstens auf sozialen Beziehungen, die Person A sowohl mit B als auch mit der Gartengemeinschaft eingeht, zweitens auf handwerklichen Kompetenzen (A: Gemüseanbau; B: defekte Festplatte erneuern und neues Betriebssystem installieren) und drittens auf eigener Zeit, ohne die beide manuelle Tätigkeiten nicht erbracht werden können. Die Outputs erstrecken sich in diesem Beispiel auf Eigenproduktion (Gemüse), Nutzungsdauerverlängerung (Reparatur des Notebooks) und Gemeinschaftsnutzung
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