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Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)

Titel: Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
Autoren: Niko Paech
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gewachsene Verletzlichkeit einer fremdversorgten und wachstumsabhängigen Existenzform lässt seine bevorstehende Überwindung so wahrscheinlich werden, dass die Frage lediglich noch lauten kann, ob dies »by design or by desaster« geschehen wird.
    Ein auf mehrfacher Entgrenzung basierender Konsum- und Mobilitätsstil ist weder ökonomisch zu stabilisieren, noch ökologisch zu legitimieren. Wer heute noch Wachstum propagiert, muss an nicht weniger als zwei Entkopplungswunder glauben, nämlich hinsichtlich knapper Ressourcen und ökologischer Schäden. Hinter der bequemen Vision eines »grünen Wachstums« verbirgt sich nicht nur eine fortschrittstrunkene Realitätsferne, sondern auch ein moralisches Problem: Wie können wir das Schicksal der Menschheit allen Ernstes zum Spielball technischer Fortschrittswellen machen, die noch gar nicht eingetreten sind und von denen sich nicht beweisen lässt, dass sie je eintreten, geschweige denn die benötigten Problemlösungen zu liefern imstande sind, statt sich am Ende womöglich nur als Verschlimmbesserung zu entpuppen?
    Im Gegensatz dazu zielt die hier skizzierte Postwachstumsökonomie darauf, zur Verantwortbarkeit ökonomischen Handelns zurückzukehren. Dies setzt den Rückbau eines Wohlstandsmodells voraus, das auf nichts anderem als ruinöser Entgrenzung beruht und somit auch nicht damit zu rechtfertigen ist, dass es das »verdiente« Ergebnis menschlicher Schaffenskraft darstellt. Folglich geht es darum, die Kunst der Reduktion als veritables Gestaltungsprinzip zu rehabilitieren – sowohl bezogen auf die Gesellschaft insgesamt als auch auf den eigenen Lebensstil. Demnach ist eine Postwachstumsökonomie in erster Linie kein Unterfangen des zusätzlichen Bewirkens, sondern des kreativen Unterlassens.
    Wir sind so fixiert auf Problemlösungen, die darin bestehen, zusätzliche Dinge in die Welt zu bringen, dass wir ein simples Faktum übersehen: Reduktionen und selbstbegrenzende Handlungsmuster haben den Charme, weder Kapital noch Neuerfindungen noch politische Weichenstellungen zu benötigen. Sie sind in aller Regel voraussetzungslos und kosten nichts – mehr noch: Sie sparen sogar Geld. Die günstigste und zugleich ökologischste Flugreise ist noch immer die, die nicht stattfindet. Das gilt für Handys, Flachbildschirme, Häuser, Autobahnen und Agrarsubventionen nicht minder. Pures Weglassen ist überall, unilateral und kurzfristig umsetzbar. Dieser Strategietyp ist derart einfach und naheliegend, dass wir uns vermutlich deshalb so schwer damit tun. Maßnahmen, die nichts kosten, nicht innovativ sind, kein neues Gesetz benötigen und für deren Umsetzung niemand einen Hochschulabschluss braucht, müssen uns wohl verdächtig vorkommen. Sie erschüttern ein verkrampftes Weltbild, das nur Fortschritt und die Eroberung zusätzlicher Freiheiten kennt, somit die Folgen der Entgrenzung mit weiterer Entgrenzung beantwortet.
    Ein weiteres Element der Postwachstumsökonomie besteht in Vorkehrungen, die den Rückbau der arbeitsteiligen Industriegesellschaft sozial abfedern. Die damit angesprochene Resilienz, also Robustheit, umfasst neben der Erleichterung um all das, was abhängig und verletzlich macht, den Aufbau von Souveränität und die gerechte Verteilung der noch verbleibenden Erwerbsarbeit. Versorgungsmuster werden stabil, wenn sie maßvoll, dezentral, vielfältig sind und auf möglichst kurzen Distanzen zwischen Ressourcenextraktion und Verbrauch beruhen. Die kürzeste Distanz entspräche moderner Subsistenz.
    Könnte ein solches von Überfluss befreites Dasein, bestehend aus einem monetär entlohnten 20-Stunden-Job, ergänzt um reichhaltige Subsistenzpraktiken, glücklich machen – sodass es sich lohnt, schon vorsorglich damit zu beginnen? Eine Beantwortung steht zunächst unter dem Vorbehalt, dass empfundenes Glück wohl auch eine Interpretationsleistung ist. Diese speist sich erstens aus Erwartungshorizonten, basierend auf subjektiven Erfahrungen, und zweitens aus den geteilten Sinnzuschreibungen innerhalb des relevanten sozialen Umfeldes. Lassen wir dies beiseite, so können etliche Gründe für eine Bejahung der Frage genannt werden.

– Möglichst viel Fremdversorgungsballast abzuwerfen, der bedürftig und beherrschbar macht, befreit von Angst vor einer zusehends unsicheren Zukunft. Wenig zu brauchen und möglichst viel davon eigenhändig oder mit anderen gestalten zu können, ist ein Ausweis von Stärke und ökonomischer Souveränität.
– Auch die kaum noch zu
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