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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers
Autoren: Leonard Cohen
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ärgerte. Soweit ich weiß, hatte er sich niemals ernsthaft mit der Materie beschäftigt, er hatte höchstens einmal einen verächtlichen Blick auf meine Bücher zu dem Thema geworfen. Außerdem hatte er die vier Teenager des A––––––stammes verführt und ungefähr tausend Westernfilme gesehen. Er verglich die Indianer mit den alten Griechen. Er fand, dass sie ähnliche Charaktereigenschaften besäßen und dass die Indianer wie die Griechen glaubten, jedes Talent würde sich im Kampf beweisen. Beide liebten den Ringkampf und waren absolut nicht imstande, über längere Zeiträume Bündnisse zu schließen, sie waren tief überzeugt von der Idee des Wettstreits und hielten Ehrgeiz für eine Tugend. Keines der vier Mädchen brachte es zum Orgasmus, F. war überzeugt, dass der Grund dafür im sexuellen Pessimismus dieses Stammes lag, woraus er schloss, dass alle anderen Indianerinnen durchaus in der Lage wären, einen Orgasmus zu haben. Ich konnte dazu nichts sagen, allerdings war es in der Tat so, dass die A–––––– in allem das genaue Gegenteil der Indianer an sich sind. Ich war dementsprechend neidisch, dass er darauf gekommen war. Seine ganze Kenntnis der griechischen Antike beruhte übrigens auf einem Gedicht von Edgar Allan Poe, einigen homosexuellen Begegnungen mit Angestellten aus dem Gastronomiegewerbe (in jeder Frittenbude der Stadt aß er umsonst) und einer Akropolis aus Gips, die er seltsamerweise mit rotem Nagellack angemalt hatte. Eigentlich wollte er sie nur mit Klarlack konservieren, doch als er in der Drogerie der Festung aus bunten Fläschchen gegenüberstand, die in allen Rotschattierungen Wache standen wie unsere berittene Polizei, ging seine extrovertierte Natur mit ihm durch. Die Farbe, die er wählte, hieß Tibetische Sehnsucht. Er fand das lustig, er hielt es für einen Widerspruch in sich. Einen ganzen Abend widmete er seiner Arbeit. Ich saß da und schaute ihm zu. Er summte, was er von »The Great Pretender« aufgeschnappt hatte, einem Lied, das den Musikgeschmack einer ganzen Generation beeinflussen sollte. Ich konnte mich von dem Anblick überhaupt nicht losreißen, so glücklich war er mit seinem winzigen Pinselchen. Säule um Säule verschwand das Weiß unter dem feindseligen Rot, es sah aus, als flösse Blut in die staubig weißen, ruinierten Finger des kleinen Monuments. Und F. sagte: Ich trage mein Herz wie eine Krone. Und so verschwanden die von Lepra angefressenen Metopen und die Triglyphen und all die schwankenden Symbole der Klarheit, der ganze fahle Tempel mit seinen verstörenden Altären verschwand unter der scharlachroten Lasur. Da sagte F.: Hier, mein Freund, die Karyatiden kannst du zu Ende machen. Also nahm ich den Pinsel, ich war Cliton, der auf Themistokles folgte. F. sang: Ohohohoho, I’m the great pretender, my need is such I pretend too much, und so weiter, eine naheliegende Wahl unter diesen Umständen, der Text hatte eine gewisse Berechtigung. Man darf das Selbstverständliche nicht übersehen, hat F. immer gesagt. Wir waren glücklich! Warum nicht mal mit Ausrufezeichen? Seit der Pubertät war ich nicht mehr so glücklich gewesen. Am Anfang des Kapitels hätte ich diese glückliche Nacht beinahe verleugnet! Aber damit ist es jetzt vorbei! Als ich die letzte freie Stelle angemalt hatte, stellte F. das Gipsgerippe auf einen Kartentisch, den er ans Fenster schob. Gerade brach die Sonne hinter dem Sägezahndach der Fabrik hervor. Das Fenster war rosa und nicht ganz trocken, wir hatten es gerade erst gemalt. Es glänzte wie ein riesiger Rubin, ein fantastisches Juwel! Er schien wie eine Wiege, in der die wenigen noblen Empfindungen, die mir trotz ihrer flüchtigen Natur erhalten geblieben waren, ruhten, und ich wusste, dass sie in ihm gut aufgehoben waren. F. hatte sich auf dem Teppich ausgestreckt, bäuchlings, er stützte das Kinn auf die Hände, die von Handgelenken und Ellenbogen gestützt wurden, und betrachtete die rote Akropolis, hinter der ein milder Tag heraufzog. Du musst sie von hier unten betrachten, sagte er blinzelnd und forderte mich auf, mich zu ihm zu legen. Ich gehorchte, kniff meinerseits die Augen zusammen und – sah, wie der Tempel in Flammen aufging, wie er von einem kühlen, angenehmen Feuer verzehrt wurde, ich sah, wie die Flammen in alle Richtungen leckten, nur nicht nach unten, wo die Tischplatte war. Weine nicht, sagte F. Ein wenig später nahmen wir unser Gespräch wieder auf.
    – So wird es ausgesehen haben, damals, als
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