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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
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Aschau im Voralpengebiet mit gymnastischen Übungen und Sonderkost behandelt werden. »Es war grauenhaft. Ich kann mich immer noch an dieses ekelhafte Essen – Haferschleim – aus Blechnäpfen erinnern. Und die Krankenschwestern in ihren weißen Kitteln, mit denen ich Übungen machen musste. Ein paarmal kam mich meine Tante aus Berchtesgaden besuchen, aber ansonsten war ich alleine … Ich habe nie verstanden, warum mich meine Eltern damals weggeschickt haben. Das bisschen Gymnastik, das hätte meine Mutter doch auch mit mir machen können! Mein Vater war doch schließlich Arzt!«
    Die Klinik in Aschau gibt es immer noch. Ironischerweise liegt sie nur ein paar Hundert Meter entfernt von einem der berühmtesten Fresstempel in Europa, der Heinz Winkler Residenz, einem Gourmet-restaurant mit angeschlossenem Hotel. Dort sind Bernd und ich ein paarmal abgestiegen, ohne zu wissen, dass die Klinik immer noch existiert. Wenige Monate vor Bernds Tod besuchten wir das Set der Constantin-Produktion »Die drei Musketiere« ganz in der Nähe von Aschau. Bernd hatte der Constantin Film die Drehgenehmigungen für verschiedene Schlösser und Burgen in Bayern besorgt, darunter auch Herrenchiemsee. Hier hatte zuletzt Bernds großer Held Luchino Visconti 1971 »Ludwig II.« gedreht und dabei Löcher in Wände gebohrt, das Parkett verschrammt und allgemein so viel Schaden angerichtet, dass die Bayerische Schlösser- und Seenverwaltung danach allen Film-produktionen den Zutritt versagt hatte. Auch »Die drei Musketiere« hätten hier nicht drehen können, hätte Bernd nicht im Frühsommer 2010 von der Bayerischen Staatskanzlei die Europamedaille erhalten. Die Staatsministerin Emilia Müller, die zufällig auch der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung vorstand, hatte ihm dabei die Hand geschüttelt und gemeint: »Wenn ich irgendwann mal was für Sie tun kann …« Bernd, nicht schüchtern, hatte daraufhin gemeint: »Ja, wissen Sie, ich hätt’ da schon was. Die Constantin hat da so ein Problem mit Drehgenehmigungen …« Und so wurden »Die drei Musketiere« dann in Bayern gedreht und nicht in Frankreich.
    Wir wollten uns das natürlich unbedingt vor Ort anschauen. Die Darsteller – darunter Milla Jovovich, Christoph Waltz und Orlando Bloom – sowie die Herstellungsleitung waren in der Residenz Heinz Winkler untergebracht. Der Plan war, erst das Set zu besuchen und dann bei Winkler mit Milla, dem Regisseur Paul Anderson sowie den Produzenten Jeremy Bolt und Robert Kulzer – Bernds altbewährtem »Resident Evil«-Team – zu Abend zu essen. Es war ein grausames Echo aus der Vergangenheit, als wir auf der Rückfahrt vom Filmset an einem Klinikgebäude vorbeifuhren und sahen, dass es sich hier um die Orthopädische Kinderklinik Aschau handelte. Es gab sie also noch, die Stätte seiner tiefen Verlassenheit. Viel Zeit blieb nicht, um über die Bedeutung dieses Zufalls nachzudenken. Ein paar Hundert Meter weiter wartete ein 5-Gänge-Menü mit dem »Resident Evil«-Team auf uns.
     
    Nach der Trichterbrust kam die Nierenentzündung. »Da haben meine Eltern dann aber aufgepasst. Ich musste monatelang das Bett hüten. Die Lehrerin kam zu uns nach Hause, um mir Unterricht zu geben. Ich fand das überhaupt nicht schlimm, dass ich mich nicht bewegen durfte. Ich war ja damals schon so faul. Das war herrlich … den ganzen Tag lang lesen zu können, und Vanillepudding hab ich auch noch bekommen!« Bis auf wenige Ausnahmen, wie z.B. Reiten und Skifahren, war Bernd ein eingeschworener Stubenhocker. »Oh Gott, die Sonne scheint …« war des öfteren seine entsetzte Feststellung, wenn wir ein Wochenende in unserer Münchner Wohnung verbrachten und Bernd allein schon bei der Vorstellung, das Haus verlassen zu müssen, Schweißausbrüche bekam.
    Die Tatsache, dass Bernd so ungern das Haus verließ und ihm vertraute Umgebungen vorzog, war auch der Grund, warum unser Haus in Los Angeles eine solche Oase für ihn war: Dort konnte er jeden Tag in der Sonne sitzen (gegen Sonnenlicht und Frischluft hatte er ja per se nichts, es war nur die Auseinandersetzung mit der unkontrollierbaren Außenwelt, die ihn abschreckte) und ab und zu mal ein paar Bahnen im Pool schwimmen, ohne dafür das Haus verlassen zu müssen. Anstatt in ein Restaurant zu gehen, luden wir unsere Freunde und Bernds Geschäftspartner zu uns zum Essen ein. Für Bernd war dieser Zustand paradiesisch: ein Haus, in dem er sich wie in eine Höhle zurückziehen konnte und trotzdem kein
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