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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
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schlechtes Gewissen haben musste, dass er die Sonne und die frische Luft vermied.
    »Ich bin eben ein Höhlenmensch. Die Leute meinen immer, ich wäre so extrovertiert und hätte so viel Energie. Das stimmt überhaupt nicht. Ich bin wahnsinnig faul. Der Unterschied ist nur der, dass ich mir sehr gut überlege, wie ich meine Energie einsetze. Das heißt wenn ich sie einsetze und wenn ich nach draußen gehe, dann hat das auch einen konkreten Effekt«, meinte Bernd öfter mal und verglich sich dabei mit einem Löwen, der auch die meiste Zeit dösend im Gras liegt und sich gut überlegt, wann er auf die Jagd geht.
    »Ein Löwe hat nur zwei oder drei Chancen, sein Wild zu erlegen. Wenn er’s dann nicht packt, hat er keine Energie mehr und muss verhungern. Deswegen muss jeder Angriff durchdacht sein. Bei mir ist es genauso. Ich überlege mir sehr gut, bevor ich mich bewege, ob es sich auch wirklich lohnt. Das war schon immer so, seit ich ein kleiner Junge war.«
    Diese Aussage will nicht zu dem Bild passen, was in der Öffentlichkeit von Bernd existiert. Da ist immer von dem »Getriebenen« die Rede, von einem unruhigen Geist. Und es stimmt ja, die »Stuben«, in denen Bernd jahrzehntelang hockte, waren Restaurants wie das »Romagna Antica« in München oder das »Borchardt« in Berlin. Da saß er festgemauert, immer am selben Tisch, am selben Platz. Das waren seine Wohnzimmer, seine festen Burgen, wo sich das Chaos kontrollieren ließ. Wohnzimmer, in denen er immer der letzte Gast war und den Moment, bis er nach Hause gehen musste, so lang wie möglich hinauszögerte. Klar, Bernd war ein Berserker. Aber Bernd war keiner, der blindlings herumraste. Sein Wahnsinn hatte immer ein Ziel.
     
    Bernds Mutter half ihrem Mann als Sprechstundenhilfe in der Praxis. Deshalb hatte Bernd immer ein Kindermädchen, das ihn und seine Schwester betreute. Dieses Kindermädchen, Herta Theuer, war anfangs noch selbst ein Kind und ging noch zur Schule. Schon im Alter von zehn Jahren, als Moni erst anderthalb und Bernd noch nicht geboren war, kam Herta Theuer nach der Schule in den Eichinger-Haushalt, um zunächst nur auf Moni und später auch auf Bernd aufzupassen. Wenn die Kinder zu Bett gebracht waren, saß sie noch mit »der Frau Doktor«, strickte und wartete gemeinsam auf den »Herrn Doktor«. Da nach dem Krieg die Wolle knapp war, wurden zum Stricken alte Pullover aufgetrennt und neu zu Kinderkleidung verarbeitet.
    Herta Theuer sollte für Bernd immer unvergessen bleiben, weil sie ihm einmal »das beste Käsebrot der Welt« gemacht hatte.
     
    Herta Theuer erzählte mir 2011:
     
    Mein zweites Zuhause war bei der Familie Dr. Eichinger. Vormittags war ich in der Schule und dann bei der Familie Dr. Eichinger. Bei uns zu Hause war’s sehr eng. Wir hatten auch nicht viel, denn wir waren ja fünf Kinder. Bei uns hat sich immer viel abgespielt. Es war immer so gemütlich. Man hat sich halt einfach gegenseitig gehabt. Weil halt sonst nicht viel da war, war der Zusammenhalt besser. Aber das Zusammensein mit der Familie Dr. Eichinger, das gehört zu meinen schönsten Erinnerungen. Besonders Weihnachten war sehr schön. Dr.Eichinger hat da immer Orgel gespielt. Aber der Herr Doktor war ja viel unterwegs. Deswegen haben wir immer auf ihn warten müssen. Der Herr Doktor war ja noch ein echter Landarzt und sehr beliebt. Er war auch unser Hausarzt. Später, als ich dann selbst Kinder hatte, hab ich die Bernd, Monika und Manfred genannt. Nur mein Jüngster hat einen anderen Namen, der heißt Ralf. Bei meiner Hochzeit, am 12. August 1961, hat Bernd Gitarre gespielt und seine eigenen Lieder vorgetragen. Als Kind ist Bernd immer gerne in den Stall gegangen. Wenn man ihn gesucht hat, war er meistens bei den Kühen. Und auf dem Viehwagen ist er gerne mitgefahren. Er hat mir damals gesagt, er will Bauer werden. Auf gar keinen Fall Arzt, hat er gesagt, denn er will nicht andauernd nackige Bäuche sehen müssen. Als er ganz klein war, war er ein bisserl ein Pummerle, aber das hat sich dann gegeben, als er anfing zu laufen. Zum Spielen hat’s ja nicht viel gegeben. Man hat ja nichts kaufen können. Wenn wir Bernds Oma besucht haben, dann hat die immer gemeint: »Geht’s hinaus in den Garten und spielt mit den Steinchen.« Und sie hatte einen Packen beschriebener Postkarten. Damit haben wir dann auch gespielt. Als Bernd gestorben ist, das war für mich, als ob mein eigener Sohn gestorben wäre.
     
    Dass er mit Steinchen und Postkarten gespielt hat, hat mir
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