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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
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gegenüberliegenden Kino seien. Und zu diesen Schatten an der Wand erfand Moni Geschichten von Monstern, Cowboys und Indianern, Zauberern und Rittern. »Das war so spannend, sie hatte so eine erzählerische Begabung und Phantasie, ich hab ihr wirklich geglaubt, dass das echte Kinobilder waren. Immer wenn das Wetter und der Mond so waren, dass es Lichter und Schatten auf unserer Kinderzimmerwand gab, dann gab’s Monis Kino«, erzählte Bernd, als wir nach dem Tod seiner Schwester zu Hause auf dem Sofa saßen und er mit der Tatsache fertig werden musste, dass die Person, die ihm als Kind absolute Liebe gegeben hatte, gestorben war.
    Moni starb einen Monat bevor »Das Parfum« in den Kinos anlaufen sollte. Es war eine perverse Situation: Einerseits hatte sein Baby, für das er seine Existenz aufs Spiel gesetzt hatte, endlich das Licht des Leinwandprojektors erblickt, endlich war es vor dem Kino publikum zum Leben erwacht. Andererseits war ein Teil von ihm gestorben. Aber auch das gehörte zu Bernds Lebenskonzept. Im Kino, das hat ihm Moni beigebracht, geht es ums Geschichtenerzählen. Und Kino – dieser Meinung war Bernd schon lange vor dem schmerzhaften Verlust seiner Schwester – ist eine Sache auf Leben und Tod.
    Bis auf die Kinoabende im Kinderzimmer spielte Kino keine große Rolle in Bernds Kindheit. Er war kein Kinowunderkind, nicht schon von Kindesbeinen an ein Filmbesessener.
    »Mein Vater hat mich ja manchmal mitgenommen, wenn er ins Kino gehen wollte – so spontan, wenn’s ihm langweilig war, hat er mich ins Auto gepackt und mit nach Neuburg genommen. Aber es hat auf mich nicht so einen großen Eindruck gemacht. Passt jetzt nicht so zu meiner Story, aber es ist so. Ich hab jetzt nicht speziell danach gefiebert, Filme zu gucken … Obwohl Kino immer interessant ist, als Heranwachsender sowieso immer ’ne spannende Sache … es gab ja kein Fernsehen. Da kam’s nicht so sehr auf die Qualität der Filme an, man hat sich schon gefreut, wenn sich was auf der Leinwand bewegte. Aber ich hab das Kino nicht aufgesogen. Ich war eher ’ne Leseratte. Ich hab mich total in Bücher versenkt, und das war letztendlich spannender als Kino«, erzählte Bernd Alice Hübner in einem Interview für den Dokumentarfilm »Der Bildwerfer«, das sie im Frühjahr 2010 bei uns zu Hause führte. »Filmemacher zu werden, hat für mich damals überhaupt nicht zur Debatte gestanden. Ich weiß, manche Leute erzählen, dass sie schon ganz früh mit Super-8-Kameras herumliefen, die es damals übrigens auch gar nicht gegeben hat … aber bei mir war das nicht so, dass ich mir vorstellen konnte, irgendwann mal selbst in irgendeiner Funktion Film zu machen.«
    Beim Lesen entdeckte Bernd eine Passion, welche ihn ein Leben lang begleiten sollte. Eine Passion, von der er überrascht feststellen musste, dass sein Vater sie mit ihm teilte: Comics. Am Anfang waren es »Fix & Foxi« und »Micky Maus«, später kamen »Hal Foster’s Prinz Eisenherz« und »Hal Foster’s Tarzan« dazu, sowie einige Jahre später die Marvel Comics und dabei insbesondere »The Fantastic Four«. Bernd erinnerte sich, dass die neuen Comics immer an einem Dienstag erschienen. Und dass die neuen Hefte an diesem Dienstag sofort aus Bernds Zimmer verschwanden, weil Manfred Eichinger sie sich geschnappt hatte. Ohne das auf irgendeine Weise anzusprechen, las der Vater die Comics zur Entspannung und legte sie dann wieder zurück ins Zimmer seines Sohnes. »Ich kann das gut verstehen und war ihm auch nicht böse, dass er mir meine Comics weggenommen hat. Sonst hat er ja damals eigentlich nur Fachzeitschriften gelesen und hatte ständig seine Patienten im Kopf. Also ich fand das schon damals irgendwie witzig, dass mir mein Vater quasi heimlich die Comics geklaut hat«, erinnerte sich Bernd, dem ich zu seinem 59. Geburtstag eine große Freude machen konnte, als ich ihm die ersten drei Bände einer restaurierten Neuauflage von »Prinz Eisenherz« schenkte, die der Bonner Bocola Verlag herausbrachte. Das Dumme war nur, dass der Bocola Verlag die neuen Bände nur alle vier Monate veröffentlichte, weil die Restaurierungsarbeiten so aufwendig waren. Spätestens nach sechs Wochen, wenn Bernd den letzten Band mindestens dreißig Mal gelesen hatte, begann er sich zu sorgen. Bernds Sorge um das Durchhaltevermögen des Bocola Verlags ging so weit, dass er mir spät in der Nacht folgende E-Mail an den Verlag diktierte:

    An das hoch geschätzte Team des Bocola Verlags,
als ein manischer
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