Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
Vom Netzwerk:
Chancen boten. Als jedoch der Besitzer der Brauerei plötzlich verstarb, kehrten die Eichingers zurück nach Deutschland und übernahmen den Betrieb. Bernd fand es immer kurios, dass sein Großvater die amerikanische Staatsbürgerschaft besessen hatte und seine Urgroßeltern zu den wenigen Auswanderern gehörten, für die die schöne neue Welt auf einmal wieder Deutschland hieß. Ich fand es einleuchtend, dass Bernd, der in seinem Leben Unmengen von Alkohol getrunken und davon nie einen Kater bekommen hat, von Bierbrauern abstammte.
    Bernds noch in den USA geborener Großvater wurde nicht Bierbrauer, sondern Arzt. Er heiratete eine Jüdin, die allerdings starb, als Manfred Eichinger erst zwölf Jahre alt war. Während des Dritten Reiches (und auch noch lange danach – Bernd erfuhr erst als Erwachsener davon, als sein Vater sich mit dem Stammbaum der Familie beschäftigte und seinen Sohn eines Tages beiseitenahm, weil er ihm »etwas sagen« wollte) wurde die Religion der Mutter mit Hilfe des Bürgermeisters verschwiegen. Manfred Eichinger bekam seinen Arier-Stempel und durfte später Medizin studieren. Manfred Eichingers Vater war gegen das Medizinstudium seines Sohnes, weil er dachte, der Arztberuf habe kein rechtes Ansehen mehr in der Gesellschaft. Er wollte Manfred zum Priester machen. Der Zölibat stand jedoch für Bernds Vater absolut nicht zur Diskussion. Dazu war Manfred Eichinger, das geht aus seinen Aufzeichnungen hervor, schon als kleiner Junge viel zu sehr von den weiblichen Formen begeistert. Also setzte er sich gegen die Widerstände des Vaters durch, finanziertesein Medizinstudium als Kirchenorganist und machte 1942 als jüngster Doktor von Bayern sein Staatsexamen. 1943 wurde er als Arzt in den Krieg an die Ostfront geschickt.
    »Ich habe meinen Vater oft gefragt, ob er denn keine Angst hatte, dass ihm etwas geschehen könnte. Schließlich war er ja an vorderster Front und musste im Kugelhagel Leute verarzten, denen die Gedärme heraushingen. Mein Vater meinte jedoch, er könne es sich auch nicht erklären, aber er sei immer überzeugt gewesen, dass er überleben werde«, erzählte mir Bernd, als wir – wie so oft – über den Zweiten Weltkrieg redeten. Der Zweite Weltkrieg und das Dritte Reich waren ein zentrales Thema für Bernd. Und da die Barbarei des Drittes Reiches auch meine Familiengeschichte geprägt hat, war es auch ein wichtiges Thema für mich. Bernd hat sein Trauma – einer Generation anzugehören, die für die Taten und Unterlassungen sowie die Werte und Tabus der Elterngeneration nur Verachtung und Ablehnung empflinden kann – durch Filme wie »Der Untergang«, »Der Baader Meinhof Komplex« und »Das Mädchen Rosemarie« für sich bewältigt. Insbesondere nach »Der Untergang« und den Diskussionen – privat wie öffentlich –, die der Film auslöste, hatte er in Bezug auf das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg für sich den Zustand einer gewissen Katharsis erreicht. Filmisch gesehen (und das bedeutete für Bernd etwa 95 Prozent seines Bewusstseins), war das Thema für ihn verarbeitet. Immer wieder wurden Stoffe über das Dritte Reich und den Zweiten Weltkrieg an ihn herangetragen. Besonders den Aufstieg des jungen Adolf Hitler hätte er ohne Probleme zigmal finanziert bekommen. Aber er winkte jedes Mal ab. Bernd hatte alles gesagt, was er zu dem Thema zu sagen hatte – so auch im Frühsommer 2007.
    Ich kann mich noch genau an den Moment erinnern, als Bernd an diesem Sommertag einen Anruf in Sachen Drittes Reich aus Los Angeles erhielt. Bernd war gerade in seinen weißen Boxershorts aus dem dunklen Schlafzimmer aufgetaucht und blickte verschlafen ins Sonnenlicht. Plötzlich klingelte das Telefon. »Hi! Paula! Good to hear from you!«, rief Bernd, mit einem Mal wach. Und weil er sich sofort aufs Sofa setzte und die Arme in seiner Konzentrationspose auf die Knie stützte, wusste ich: Das war nicht irgendeine Paula, das musste Paula Wagner sein, die damalige Produzentin von Tom Cruise. Paula Wagner und Tom Cruise hatten schon einige Wochen lang den deutschen Blätterwald ordentlich zum Rascheln gebracht, weil sie den Film »Operation Walküre« über das missglückte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 planten. Tom Cruise hatte vor, Claus Schenk von Stauffenberg zu spielen. Die Nachricht, dass der überzeugte Scientology-Anhänger Cruise, dessen Religionsgemeinschaft in Deutschland vom Verfassungsschutz wegen anti-demokratischer Tendenzen beobachtet wurde, den Helden des Deutschen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher