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BE (German Edition)

BE (German Edition)

Titel: BE (German Edition)
Autoren: Katja Eichinger
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Bernd nicht erzählt. Wohl aber, dass er keinen Zugang zu der Pixar-Zei-chentrickfilm-Trilogie »Toy Story« hatte. Weihnachten vor seinem Tod versuchten wir, uns »Toy Story 3« anzuschauen. Wir hatten eine »Screener«-DVD, die vor den Oscars an Mitglieder der amerikanischen Filmakademie herausgeschickt wurden, um das Abstimmen für die Oscars zu erleichtern. Obwohl er Pixar-Filme großartig fand, war Bernd schon nach kurzer Zeit gelangweilt. Für ihn war die Vorstellung, dass Spielzeuge lebendig werden könnten, uninteressant. Bernd bestand darauf: Er hatte als Kind keine Spielzeuge gehabt! Er könne sich nicht einmal an einen Teddy erinnern. Wir haben dann die DVD ausgeschaltet und »The Fighter« von David O. Russell angeschaut. Bis zum Ende.
    Bernds Vater war bis zu seinem 75. Lebensjahr Arzt aus Überzeugung. »Dass man seinen Beruf mit aller Energie ausübt und seinem Beruf alles gibt, das hab ich sicherlich von meinem Vater mitbekommen«, so Bernd. Als Landarzt war Manfred Eichinger auch für die ärztliche Versorgung eines Heims für geistig Behinderte zuständig. In dieses Heim nahm er Bernd und Moni gelegentlich mit, besonders an Weihnachten. Bernd hat davon immer mal wieder erzählt, weil er diese Besuche als Kind sehr mochte.
    »Unser Vater hat da halt seinen Dienst gemacht und uns da im Zimmer mit den Behinderten gelassen. Und ich kann mich an keinerlei Scheu oder Angst erinnern, die Moni und ich den Leuten gegenüber gehabt hätten. Wir haben mit denen Fangen gespielt, und es war irgendwie toll, wie die sich gefreut haben. Als Kinder mochten wir das natürlich, dass wir da so eine Begeisterung bei diesen Menschen hervorrufen konnten, die ja viel größer waren als wir! Nur wurden die dabei immer sehr aufgeregt, und ab einem gewissen Punkt wurde es dann zu wild. Dann gab’s Geschrei und Tränen, und die Erwachsenen griffen ein.« Später als Teenager kehrte Bernd in das Heim zurück und machte Fotos von den Bewohnern. Nicht weil er konkret mit dem Gedanken spielte, Fotograf zu werden, sondern weil ihre Gesichter so einen Eindruck hinterlassen hatten, dass er sie festhalten wollte.
    »Bei uns in der Gegend gab’s auch ein Dorf, da waren alle so abweisend Fremden gegenüber, die haben nur untereinander geheiratet. Richtige Hinterwäldler. Da gab’s natürlich irre viel Inzucht. Und wenn ich mit meinem Vater durch das Dorf gefahren bin, stand vor fast jeder zweiten Tür so einer, dem man’s angesehen hat, dass da ein paarmal zu nahe beieinander geheiratet worden war. Das war das Idiotendorf. Unser Vater hat uns das erklärt. Als Kinder fanden wir das natürlich richtig schön gruselig und total aufregend«, erzählte mir Bernd, als wir uns »Deliverance – Beim Sterben ist jeder der Erste« von John Boorman ansahen, in dem debile Hinterwäldler das Horrorelement darstellen. Bernd bewunderte »Deliverance« sehr und hielt ihn für einen der besten Filme der Kinogeschichte, war es doch ein Film, der seine Vorliebe für das Dunkle, den menschlichen Abgrund, mit Spannung verband. Er hatte »Deliverance« zum ersten Mal 1972 gemeinsam mit Uli Edel gesehen, als die beiden noch Filmstudenten waren und der Film in Deutschland anlief. Uli Edel erinnert sich: »Wir sind gleich am ersten Abend reingegangen. Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber es ist wahr: Als diese nur schwer zu ertragende Szene ablief, in der einer der ›mountain men‹ Bobby (Ned Beatty) vergewaltigt und ihn dabei zwingt, wie ein Schwein zu quieken, ist Bernd aufgestanden und hat den Kinosaal verlassen. Er fand es unerträglich. Ich war völlig überrascht, weil ich Bernd nie zuvor so hab reagieren sehen. Nach einer Weile, als die Szene vorbei war, kam er wieder zurück und sah sich den Film zu Ende an.«
    Jahre später, als Bernd schon Verleiher war und John Boormans »Excalibur« in Deutschland verlieh, war Uli bei einem Abendessen dabei, das Bernd für Boorman veranstaltete. »Bernd erzählte Boorman beim Essen, dass er bei dieser Szene das Kino verlassen hatte. Boorman konnte gar nicht glauben, dass ausgerechnet Bernd so zart besaitet war. Es klang fast wie eine Entschuldigung, als John sich damit verteidigte, dass die ›Quiek‹-Idee gar nicht im Drehbuch stand und beim Drehen von Ned Beatty improvisiert worden war. Wir haben Boorman erbarmungslos ausgequetscht. Ich erinnere mich noch, wie er erzählte, dass die Einstellung mit der Hand, die am Ende über der Wasseroberfläche erscheint, ihm auch die Idee für die berühmte
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