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Baustelle Demokratie

Baustelle Demokratie

Titel: Baustelle Demokratie
Autoren: Serge Embacher
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installiert, das heißt verfahrensmäßig durch Bürgerbeteiligungsgesetze oder andere Regularien absichert.
    In letzter Zeit haben sich immerhin vielversprechende Ansätze in diese Richtung entwickelt. So hat die neue grün-rote baden-württembergische Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag unter dem Titel »Der Wechsel beginnt« festgehalten, dass sie sich als »echte Bürgerregierung« (Baden-Württemberg 2011, 2) versteht und »eine neue politische Kultur des Dialogs und der Offenheit für Vorschläge, unabhängig davon, wer sie macht« (ebd.) entwickeln will. Damit dieses zunächst rhetorische Bekenntnis zumindest eine Chance hat, tatsächlich in konkrete Politik übersetzt zu werden, hat man die Funktion einer »Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung« am Kabinettstisch installiert. Die erste Amtsinhaberin, Gisela Erler, hat sich auch bald nach Amtsantritt auf den Weg gemacht, Bürgerbeteiligung per Gesetz stärker im öffentlichen Planungsrecht zu verankern. Was dabei herauskommt, wird abzuwarten sein.

Deutschland, du kannst es besser!
    Ein neuer Gesellschaftsvertrag
    In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Was müssen wir tun, um sie zu verwirklichen? Die Antworten auf diese Fragen finden sich in der Mitte der Bürgergesellschaft. Und nur wenn wir sie mit Nachdruck aus dieser Mitte heraus artikulieren, haben sie eine Chance, in der Tagesordnung von Politik und Wirtschaft »vorzukommen«. Laut und deutlich müssen wir, als Akteure der Bürgergesellschaft, unsere Forderungen stellen. In multiplen Foren, Runden Tischen, Protesten, Zeitungsartikeln, Tagungen und Gesprächen, mit allen uns zur Verfügung stehenden zivilen Mitteln müssen wir uns einmischen, um die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zu bewegen. Denn sie, unsere Vertreter in der offiziellen Politik, sind auf diese starken Impulse aus der Mitte der Gesellschaft angewiesen. Nicht zuletzt die klugen und mutigen Köpfe unter ihnen brauchen sie dringend, um sich gegen das partei- und lagerübergreifende Heer von Opportunisten, Jasagern und Bedenkenträgern durchzusetzen.
    Es geht nicht darum, die Relevanz von Parteien oder Parteiprogrammen, von Wahlen, veränderten Mehrheiten oder neuen Regierungskonstellationen grundsätzlich in Frage zu stellen. Ganz im Gegenteil, für überzeugte Demokratinnen und Demokraten können letztlich nur sie und die streng geregelten demokratischen Verfahren zu gesellschaftlichem Fortschritt führen. Doch dürfen wir den politischen Betrieb nicht sich selbst überlassen, wollen wir nicht ewig nur über die Binnenlogik von Machterhalt und Hahnenkampf klagen. Der politische Betrieb kann vieles bewegen und auch verbessern, aber eben nicht aus sich selbst heraus. Die »verfasste« Politik ist daher gut beraten, Bündnisse mit der engagierten Bürgergesellschaft zu suchen, um Impulse und Ideen aufzugreifen und in Politik übersetzen zu können. Dabei kommt vor allem den politischen Parteien eine zentrale Rolle in der Demokratie zu (vgl. Embacher 2010): Sie sind an ihrer Basis bürgergesellschaftliche Vereinigungen, die sich mit vielen tausend Engagierten für Verbesserungen vor Ort und für neue Ideen zur Gestaltung des Gemeinwesens einsetzen. Zugleich stellen sie das Personal für Ämter und Mandate in der offiziellen Politik und haben damit eine wichtige Scharnierfunktion zwischen Bürgergesellschaft und Politik. Diese Funktion können sie aber nur erfüllen, wenn sie lebendige Vereinigungen mit einer vitalen Streit- und Meinungsbildungskultur sind. Das scheint Ihnen utopisch? Angesichts der Kluft, die sich in fast allen Parteien zwischen Basis und Spitze aufgetan hat, mag Zweifel angebracht sein. Aber gerade deshalb sollten möglichst viele ihr je eigenes Anliegen genau dort platzieren.
    Die CDU zu einer auf christliche Werte verpflichteten Partei transformieren? Die SPD zu einer konsequenten Rückbesinnung auf eine Politik der sozialen Demokratie veranlassen? Die Grünen an ihre ökologischen und basisdemokratischen Versprechen erinnern? Der FDP zu einer wirklich liberalen (und nicht nur neoliberalen) Politik verhelfen? Die Linkspartei aus dem Wolkenkuckucksheim eines »Systemwechsels« befreien? Nichts von alldem kann geschehen ohne den starken Einfluss von Bürgergesellschaft und bürgerschaftlichem Engagement. Die Parteien zu neuen Strategien und damit die Regierungen zu anderen Entscheidungen, zur Wiederentdeckung einer Politik des sozialen Ausgleichs und damit der sozialen Gerechtigkeit,
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