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Baustelle Baby (German Edition)

Baustelle Baby (German Edition)

Titel: Baustelle Baby (German Edition)
Autoren: Sonya Kraus
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letzten Monate auf Bearbeitung, und das Drucker/Scanner/Fax-Kombi-Gerät ist mit einer soliden Staubschicht verziert.
    Dort schreiben? Ein Verhörzimmer wäre eine einladendere Alternative.
    Nur wohin mit mir?
    Seit der Stammhalter läuft, ist von Wohnkultur im Hause Kraus nichts mehr übrig. Früher war ich immer entsetzt, wenn sich bei anderen Leuten buntes Plastikspielzeug zwischen den Designermöbeln tummelte. Heute gibt's in der Casa Kraus kein Zimmer, das nicht deutliche Spuren kindlicher Verwüstung aufweist. In der Diele sind Kinderwagen und Buggy (und das erwähnte Pferd) geparkt, meine Küche wird von trocknenden Fläschchen und Sterilisator verschönert, Autos, Kuscheltiere und Klötzchen sind als schmerzhafte Rutsch- und Tretminen in allen restlichen Zimmern verteilt. Den unbestreitbaren Höhepunkt der Deko bildet jedoch die Moderne Kunst an der Wohnzimmerwand. Dort hat sich Little Picasso in einem unbeobachteten Moment mit einem neongrünen Textmarker verewigt. Aber als Mama lernt man Gelassenheit. Statt aufgeregt meinem Heimwerker-Spleen zu huldigen und das Erstlingswerk meines Sohnes mithilfe von Pinsel und Deckweiß verschwinden zu lassen, sagt man sich: Rentiert sich nicht. Da kommt bestimmt noch einiges an Gekritzel dazu!
    Gelassenheit ist oberstes Überlebensprinzip: Ruhe zum Schreiben, kein Platz zum Arbeiten, alles halb so wild – Hauptsache gesund ...
    Nur: Gesund war leider gestern.
    Der kleine Mann ist eine echte Viren-Schleuder. Egal, was er sich einfängt, den Norovirus, Scharlach, eine Bronchitis oder auch die falsche Maul- und Klauenseuche, mich streckt's ebenfalls nieder. Gott sei Dank sind zumindest Nabelbruch und Pupserei nicht ansteckend! Wenn der Prinz kränkelt, wandert die eben noch gepriesene Gelassenheit schlagartig ab in den Windeleimer. Hysterie liegt in der Luft. Es herrscht Alarmzustand. SOS! Mayday! Wo früher gut sichtbar der Werbezettel des Pizzaexpress hing, prangt nun die Übersicht der Notapotheken. Nicht weiter schlimm, denn Fastfood ist out, Bio ist Pflicht. Statt Gleitgel wartet im Nachttischchen jetzt das digitale Fieberthermometer auf seinen Einsatz. Auch nicht weiter tragisch, denn bei Krankheit wird der Kronprinz sowieso als lebendes Verhüterli zwischen Mama und Papa gebettet. In solchen Nächten verbringt man seine Zeit statt auf oder unterm Partner eh lieber im romantisch-grellen Neonlicht einer Kinderkrankenhaus-Notaufnahme.
    Mehr davon? Mehr davon!
    Fragt man erfahrene Mehrfach-Mamis zu dieser Phase, versuchen sie, anderen Mut machen. »Ach, du, nach so etwa drei Jahren entspannt sich die Lage ...« WAS??? Drei Jahre Ausnahmezustand? Sind die irre?
    Nein, ich bin es. Ganz offensichtlich. Es mag sich verrückt anhören, aber trotz all dem würde ich am liebsten die Zeit anhalten. Mein Kind verzaubert mich mit einem Blick, pinkelt mich an, spuckt mich voll ... und ich? Ich finde es total toll! Das Baby raubt mir meine Zeit, meine Konzentration, meine Leistungsfähigkeit, mein Leben, doch ich verschenke all das von Herzen gern. Und warum? Ganz einfach: Man liebt so heftig, so tief und intensiv wie niemals zuvor. Mit aller Macht muss ich mich bremsen, mein Goldstück nicht ewig abzuknutschen, ihn zu knuddeln und zu verwöhnen.
    Ich hatte es ja schon anfangs angedeutet: Kinder sind eben eine heftige Droge, und Menschen ohne Kids ist dieses Sado-Maso-Phänomen schwer zu erklären. Babys machen süchtig, sogar hörig, alles dreht sich nur um sie. Sie lassen uns über uns hinauswachsen, bewirken, dass wir Raubbau am eigenen Körper betreiben, machen uns fix und fertig.
    Aber stellen Sie sich einfach vor, dauerverliebt zu sein. So ein kleines Terroristchen zu nehmen und ganz zart am weichen Hals zu knutschen, das ist ein purer Tropfen Glück. Nichts anderes. Schmelzen Sie bei Babykatzen oder Welpen dahin? Verzehnfachen, ach, verhundertfachen Sie dieses Gefühl, dann haben Sie eine ungefähre Ahnung, was für ein emotionaler Katalysator ein Baby ist. Das Windelwechseln, das Aufstehen nachts, die Müdigkeit, der ganze Nervkram verpufft ganz einfach in einem Moment der Liebe.
    „ Kindererziehung ist ein Beruf,
wo man Zeit zu verlieren verstehen muss,
um Zeit zu gewinnen.
    (Jean-Jacques Rousseau)
    Die Zeit nach dem Aufwachen, wenn er noch so verpennt ist und das Köpfchen an mich schmiegt, oder wenn er abends vorm Schlafengehen das Mäulchen aufreißt, um einen Kuss nachzumachen – das ist einfach großartig. Die Momente also, in denen er noch nicht am Telefon alle
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