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Baustelle Baby (German Edition)

Baustelle Baby (German Edition)

Titel: Baustelle Baby (German Edition)
Autoren: Sonya Kraus
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mal betüdeln!
    Meine Situation ist luxuriös, denn mein Kleiner hat zwei Omas und eine Tante, die ihn am liebsten auffressen würden, einen Opa, der gerne stundenlang mit ihm in den Park geht, und alleinerziehend bin ich ja schließlich auch nicht. Zur Not gibt's dann auch noch eine bezahlte Kinderbetreuerin, die ich mir durchaus leisten kann. Der Plan sollte also machbar sein.
    Bin ich ein Fall für Amnesty International?
    Als kurz nach acht mein Mini-Monster im Bettchen träumt, hänge ich mich entschlossen und voller Tatendrang ans Telefon. Ergebnis? Die eine Oma hat morgen eine Zahn-OP, die andere Omi, inklusive Opi, ist auf dem Weg in den spontanen Kurzurlaub, bei der Tante ist eine Grippe im Anmarsch, der Papa hat »wichtige Termine« und der Babysitter einen Burnout.
    Ach, alles halb so wild, versuche ich mich zu beruhigen, es ist ja noch viel Zeit bis zur Deadline des Buches. Mama wird's schon richten ...
    Drei Wochen später ist mir klar, mit Kind ticken die Uhren einfach anders. Weihnachten kommt sofort nach Ostern – die Zeit rast! Mein Buch ist um keine Seite dicker geworden, mein schlechtes Gewissen jedoch um Zentner schwerer.
    Verdammt, was ist bloß los? Vor dem Baby konnte ich mit ein paar Dosen rotem Stier nächtelang durchknechten und kam dabei zu extrem kreativen Ergebnissen. Heute fange ich mit dem Doping schon am Nachmittag an, um den Tag koffeinbeschwingt zu meistern.
    Versuche, nach 21 Uhr am Manuskript zu arbeiten, endeten meist nach drei Zeilen mit geistigen Ergüssen wie: »... und als es dann Richtung Krankenhaus ging, waren allin shyxypdbdmm« – und einem wunderbaren Nickerchen mit Schlepptop auf dem Bauch. Eigentlich auch nicht weiter verwunderlich: Seit über einem Jahr habe ich nicht mehr als vier Stunden am Stück geschlafen. In Guantanamo gilt Schlafentzug als Folter. Ob Mamas auf den Den Haager Gerichtshof für Menschenrechte oder Amnesty International hoffen können?
    Der kleine Mann hat mich wirklich gut abgerichtet. Meine »Nachtruhe« ist actionreich: Zwei- bis dreimal die Nacht hüpfe ich beim kleinsten Pieps aus dem Kinderzimmer wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett. In Trance wird das mit Milchpulver vorbereitete Fläschchen gegrapscht, die Thermoskanne aufgedreht,Wasser ins Fläschchen gegossen, um dann fleißig schüttelnd ins Allerheiligste zu flitzen.
    Dort empfängt mich mein Milch-Macho schon lautstark pöbelnd, stehend, die Ärmchen gierig reckend, im Gitterbettchen. Kaum hat er seinen Stoff in den Patschehändchen, lässt sich der kleine Diktator genüsslich grunzend fallen, um mit seiner »Millie« wieder im Land der Träume zu versinken.
    Die ganze Aktion dauert im Schnitt nicht länger als ein knappes Minütchen. Egal, die Chancen stehen trotzdem nur fifty-fifty, dass ich es die zehn Meter zurück ins Schlafzimmer schaffe. Meistens ergebe ich mich, bereite mit einem Handgriff den Ausziehsessel vor und breche danieder. Eigentlich ganz sinnvoll, denn durchschnittlich noch zwei weitere Male muss Mama Milch mixen. Zwischendrin wird ungeniert kontrolliert: Das Köpfchen wird kess gereckt und durch die Gitterstäbe des Bettchens gecheckt: Ist mein persönlicher Butler noch da? Fein, dann kann man die Äuglein wieder schließen und noch eine Runde knacken. Sollte der Getränkeservice es jedoch gewagt haben, sich ins eigene Bett zu verziehen, wird Terror geschoben. Ja, ich weiß, höchste Zeit, den Papa zu seiner eigenen Mama auszuquartieren und den ganzen Tag zu schlafen, um nachts Kraft zu haben, die Tipps aus dem Ratgeber Jedes Kind kann schlafen lernen umzusetzen. Oder noch besser: Ich quartiere mich aus, und Papa setzt die Tipps um. Leider wird der selbst dann nicht wach, wenn neben ihm ein Düsenjet startet.
    Möglicherweise wäre meine ewige Müdigkeit auch ein guter Grund, um mit der geliebten Tradition zu brechen, meine Bücher gemütlich liegend im Bett zu schreiben. Nur, wo dann?
    In meinem ehemaligen Arbeitszimmer residiert ja nun der kleine Prinz. Der Kostümfundus wanderte mit Mottenkugeln dekoriert in den Keller, der Schreibtisch zog ins Schlafzimmer. Dort, hinterm Bett, auf üppigen drei Quadratmetern, gut getarnt durch einen Raumteiler, ruht meine Arbeit, und es beginnt das Kraus'sche Katastrophengebiet. Mein Schreibtisch versprüht den Charme der Gauck-Behörde: Von der Schreibtischplatte istnichts mehr zu sehen, so ausgedehnt stapeln sich die Papiere. Im Wäschekorb links lagern Aktenordner, in den Umzugskartons rechts wartet die Fanpost der
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