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Barins Dreieck

Barins Dreieck

Titel: Barins Dreieck
Autoren: Hakan Nesser
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und mir durch das heruntergekurbelte Seitenfenster zuwinkte. Wie ich sie warnen wollte. Sie dazu bringen wollte, hier zu bleiben, statt sich auf diese fatale Fahrt zu begeben. Als sie hinter der Steinmauer verschwunden war, konnte ich einen Schrei nicht mehr zurückhalten, aber der richtete natürlich nichts aus. Er war nur ein nutzloser Ausdruck der doppelbödigen Spannung, die in mir pochte. Nicht einmal der alte Hausmeister, der herumging und das Laub aus den Beeten unten herauskratzte, schien ihn gehört zu haben, und nachdem ich gesehen hatte, wie sie auf die kurvige Straße eingebogen war, die den Berg hinaufführte, drehte ich mich um, ging zurück ins Zimmer und nahm eine lange, erfrischende Dusche.
    Nein, zuerst kroch ich ins Bett und versuchte zu lesen, so war das ... natürlich ein vollkommen hoffnungsloses Unterfangen.
     
    Auf diese Art – indem ich einige Geschäfte aufsuchte und indem ich in Cafés saß und an Ewa dachte – zog ich langsam durch die zentralen Teile von A., hinunter zum Vondelpark und der Gemeindebibliothek in der Van Baerlestraat. Von meinem letzten Besuch wusste ich, dass sie die Tore dort immer erst nachmittags öffneten, sie dafür aber bis spät abends offen ließen, was mir für meine Zwecke außerordentlich dienlich erschien. Ein Morgenmensch war ich noch nie gewesen. Wichtige Dinge vor zwölf Uhr ausführen zu müssen, das war seit meiner Teenagerzeit meine Achillesferse gewesen. Die Abende und die frühen Nachtstunden, das ist mein Elixier, dann bin ich in Topform, sowohl mental als auch körperlich, und wenn man in einer Situation ist, in der man sich seinen Tagesrhythmus selbst einrichten kann, so gibt es natürlich keinen Grund, sich diese Morgen- und Vormittagsstunden im Bett zu verbieten.
    Es stimmte. Montag bis Freitag: 14–20 Uhr, stand auf einem Anschlag an der Tür. Samstags: 12–16 Uhr. Also ganz ausgezeichnet. Ich ging an diesem ersten Tag nicht hinein, nahm mir aber einen Besuch am kommenden vor. Da ich keine übertrieben große Sehnsucht nach dem Translators’ House verspürte, beschloss ich, den Rest des Nachmittags in der Stadt zu verbringen. Nachdem ich mehr oder weniger planlos ein paar Stunden herumgewandert war, fand ich an der Ecke Falckstraat/Reguliergracht eine kleine Zimmervermittlung. Ich ging hinein und erklärte meine Wünsche: ein einigermaßen zentrales Zimmer, gern in der Nähe des Vondelparks. Dusch- und Kochgelegenheit. Sechs Monate ungefähr. Nicht zu teuer. Die farbige junge Frau blätterte in einigen Ordnern und führte zwei Telefongespräche. Eventuell ließ sich etwas Passendes finden, erklärte sie, wenn ich die Möglichkeit hätte, in ein paar Tagen wieder hereinzuschauen.
    Ich bedankte mich und versprach, spätestens am Freitag wiederzukommen.
     
    An diesem ersten Abend kehrte ich erst sehr spät zum Translators’ House zurück. Beschloss, dass ich mich ebenso gut ein wenig amüsieren konnte, bevor der Ernst begann. Also gönnte ich mir ein gutes Essen im Planner’s und ein paar Stunden in den Bars um den Nieuwe Markt. Doch eigentlich war ich die meiste Zeit damit beschäftigt, darüber nachzudenken, wie ich die Suche nach Ewa gestalten sollte, aber ich glaube nicht, dass mir ein besonders tragkräftiger Aktionsplan eingefallen ist. Zumindest nichts, an das ich mich später erinnern konnte, und als ich schließlich gegen Mitternacht ins Bett fiel, konnte ich feststellen, dass ich immer noch nicht angefangen hatte, auch nur einen Zipfel des Schleiers über den beiden unheilvollen Affären zu lüften, derentwegen ich nach A. gekommen war.
    Aber ich war an Ort und Stelle. Der Acker war bestellt, und auf der anderen Seite der Nacht würde es natürlich höchste Zeit sein, loszuschlagen. Ich erinnere mich auch noch, dass mir die Vorstellung von dieser unberührten Zukunft gefiel. Eine Tabula rasa, ein schneeweißes Feld, das ich noch nicht betreten hatte und auf dem noch alles Mögliche Seite an Seite ruhte.
    Mit diesen Gedanken schlief ich ein.
     
     
     
I ch weiß, dass ich dir wehtue, aber ich bin gezwungen, meinen eigenen Weg zu gehen.«
    Genau diese Worte hatte sie gewählt, sie hätten aus dem erstbesten modernen Melodram stammen können, und ich strich ihr vorsichtig eine Haarlocke von der Wange. Es war das erste Mal, und es war nicht das erste Mal. Wir lagen auf der Seite, sahen uns an in unserem bequemen Doppelbett, und ich erinnere mich, dass ich dachte, wie dubios Augen doch sein können. Dass sie plötzlich, wenn man
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