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Bardo - Rueckfahrkarte Leben Tod

Titel: Bardo - Rueckfahrkarte Leben Tod
Autoren: Bruno Portier
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Reisebüros hat es ebenfalls bemerkt. Er erhebt sich, reißt die Tür auf und gibt ihm mit einigen in Hindi gebrüllten Worten zu verstehen, dass es verschwinden soll. Mit seinem abschließenden »Schttt!« hätte er besser einen Hund verjagt als einen Menschen. Anne geht wortlos an dem Mann vorbei und verlässt das Büro.
    »Madam, bitte, geben Sie dem Mädchen nichts.«
    Sie überquert rasch die verstopfte Straße, gefolgt von dem Mädchen. Dem lauten Hupkonzert schenkt Anne keinerlei Beachtung. Sie springt auf den gegenüberliegenden Bürgersteig und stürzt in eine Bretterbude, die als öffentliche Telefonierstube dient.
    »Kann ich bitte telefonieren?«
    Von der hereinstürmenden Frau überrascht, schaltet die Fernsprechvermittlerin eilig das Licht und den Deckenventilator ein, ehe sie den Zähler auf null stellt und Anne den Apparat reicht.
    »Bitte.«
    Anne wählt die Nummer. Das Freizeichen ertönt, einmal, zweimal, dreimal.
    »Hallo.«
    Anne erkennt sofort die Stimme ihrer Mutter.
    »Mama, wo wart ihr denn?«
    »Wo wir waren?«

    »Ich hab versucht, dich nach der Ankunft vom Flughafen aus zu erreichen, aber niemand hat sich gemeldet. Ich war außer mir vor Sorge.«
    »Hör zu, Anne, das tut mir leid. Sicherlich haben wir gerade im Garten gespielt. Du musst unbedingt wieder lernen, anderen ein wenig Vertrauen zu schenken. Es ist unerträglich, sich derart zu ängstigen.«
    Anne seufzt erleichtert auf.
    »Ich weiß. Entschuldige.«
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Nutz deine Reise, um ein bisschen Ballast abzuwerfen, einverstanden?«
    Anne lächelt.
    »Einverstanden. Wie geht es Lucie?«
    »Prächtig!« antwortet Rose heiter. »Sie liegt im Bett und schläft. Die Kleine ist wirklich zum Piepen. Stell dir vor, heute Nachmittag waren wir im Park und …«

    Das Zimmer mit einem Blindfenster ist dunkel, die Wandfarbe verblasst, fahl. Oben an einer der Wände hängt eine veraltete Klimaanlage. Das Flügelrad dreht sich ohne Unterlass. Seine Reibung am verrosteten Schutzgitter erzeugt ein regelmäßiges Klappern, das sich mit religiösem Singsang aus einem fernen Radio vermischt.
Aus dem Nebenzimmer spricht Anne zu Evan. Ihre Stimme klingt fröhlich.
    »Was meinst du, ich werde mein Lederzeug ausziehen. Es ist viel zu warm.«
    Unter dem Metallkasten der Klimaanlage fallen vereinzelt Wassertropfen auf die Wand und folgen einer vergilbten Kalkspur. Das Rinnsal sickert wenige Zentimeter neben einer Steckdose vorbei und endet auf einem gräulichen Kopfkissenbezug, wo es einen großen Fleck feucht hält.
    »Evan, hörst du mich?«
    Auf dem Kissen ruht Evans Kopf. Er schläft. Seine Haare sind durchnässt. Schweiß läuft ihm über Schläfen und Hals. Plötzlich geht im hinteren Teil des Zimmers eine Tür auf. Anne kommt nackt aus dem Badezimmer und frottiert sich mit einem Handtuch die Haare.
    »Evan, steh auf! Es ist schon spät.«
    Evan murrt und dreht sich zur Seite. Vor dem Spiegel der Kommode betrachtet Anne prüfend ihren Körper und sieht Evan, der ausgestreckt auf dem Laken liegt, ohne sich zu rühren.
    »Evan. Schau mich an!«
    Sie wirft das Handtuch in die Luft, breitet majestätisch die Arme aus und bietet ihren Körper dem Blick des Gefährten dar. Er bewegt sich nicht. Anne wendet sich brüsk nach ihm um.

    »He, mach schon! Wach auf! Seit Monaten nervst du mich damit, die Ferien mit mir allein zu verbringen, und jetzt schläfst du! Sind das etwa die Flitterwochen, die du mir versprochen hast?!«
    Mühsam öffnet Evan ein Auge zur Hälfte. Anne macht eine Pirouette, um ihre Anatomie vorteilhaft zu betonen. Evan deutet ein Lächeln an.
    »Aber ich werde dich aufwecken. Wirst schon sehn!«
    Sie wirft sich schreiend auf ihn.

    Ein brutaler Fußtritt trifft die abgemagerte Flanke eines streunenden Hundes. Heulend vor Schmerz ergreift das Tier die Flucht. Ein Geschirrtuch auf der Schulter, nimmt der etwa zwölfjährige Kellner mit einem Satz die Stufen, welche die Gasse von dem billigen Esslokal trennen. Anne und Evan haben am Eingang Platz genommen. In ihrer schwarzen Lederkleidung beobachten sie schweigsam, wie der Hund hinkend in der Menge verschwindet. Das Motorrad, eine blitzende Enfield Bullett 500, bepackt mit dem Rucksack, ist direkt unter ihnen geparkt.
    Die Hand eines ausgestreckten Arms stellt das Tablett auf dem Tisch ab. Der halbwüchsige Kellner ist äußerst vergnügt. Er hat einen starken Akzent.

    »Bon appétit.«
    Auf dem Tablett stehen zwei angeschlagene Tassen mit einer
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