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Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Titel: Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)
Autoren: Wolfhart Berg
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Franco-Diktatur für Demokratie und Sozialismus. Als Jugendlicher tritt Montalbán in die Kommunistische Partei PC ein, redigiert Flugblätter und spricht auf verbotenen Demonstrationen. Als Student wird er verhaftet wie einst sein Vater. Er kommt 1962 für 18  Monate in Haft. Hinter Gittern schreibt er erste avantgardistische Poesie. Eine Amnestie anlässlich des Todes von Papst Johannes  XXIII . gibt ihm die Freiheit zurück – und die Einsicht, politische Essays besser in Satire zu verpacken.
    DAS ROTLICHT IST SEIN EIGENTLICHES REVIER
    Montalbáns gesellschaftspolitisches Bewusstsein ist geprägt vom
Barri Raval
der 60 er-Jahre, von hoher Arbeitslosigkeit und einem öffentlichen Versammlungsverbot, von Armut, Dreck, Junkies und dem Sündenbabel eines Rotlichtviertels. In den engen Gassen reihte sich damals eine Bar an die andere. Zwar waren im katholischen Spanien unter Franco die Pille, das Küssen in der Öffentlichkeit und die Prostitution streng verboten, doch kamen die großen US -Kriegsschiffe in den Hafen, und dann sah man mehr Bordsteinschwalben als Spatzen im Raval. In diesem Reservat der Gestrandeten findet Montalbán seine Geschichten. Sein Lieblingslokal ist die
Casa Leopoldo
35 ( ▶ F 6 ) in der Carrer Sant Rafael.
    »Um ein Land zu verstehen, muss man sein Brot essen und seinen Wein trinken.« Dieses Marx-Zitat verinnerlicht er im
Leopoldo
am liebsten bei Fisch und Weißwein. Er legt es auch seinem Serienhelden Carvalho fast in jedem seiner Stadtkrimis in den Mund. Auch Carvalho ist Genießer und Revolutionär, hat sein Büro an den
Ramblas
, liebt die Prostituierte Charo und trinkt seine Sherry-Manzanillas, meist in der kleinen Bar Sanlúcar an der
Rambla 20 – 24
. Heute stehen hier leider keine kleinen Marmortische mehr, sondern Fast-Food-Theken.
    Das
Raval
ist das letzte Viertel Barcelonas, das noch historische Patina besitzt und in seiner alten Substanz nicht gänzlich von Bulldozern untergepflügt wurde. Heute leben hier weniger Prostituierte, dafür mehr Araber, Inder und Südamerikaner mit entsprechend exotischen Ladenstraßen. Ein spannender kultureller Mix in einem nun von »Lumpenpack und Zuhälterei« weitestgehend gesäuberten Viertel. Auf der einst so sündigen Meile Avinguda del Paral.lel wurden die meisten berühmt-berüchtigten Lokale der 60 er-Jahre sowieso wegsaniert, wie beispielsweise das legendäre Revue-Theater El Molino. Dafür gibt es heute das Sex-Cabaret Café Bagdad. Ein urbaner Fortschritt?
    Wie eine Zeitreise in die 20 er-Jahre mutet der Besuch des
La Paloma
19 ( ▶ E 5 ) in der Carrer Tigre no 27 , das auch von Montalbán des Öfteren besucht wurde. Ein romantischer Tanzsaal aus der Jugendstilzeit mit klassischen großen Bands am Nachmittag für die Senioren und mit House- und Hip-Hop-Musik nach 22  Uhr bis zum Morgengrauen.
    Nach Francos Tod kritisiert Montalbán in scharfzüngigen Essays vor allem den beharrenden Feudalismus der Barceloner Großbourgeoisie, die Immobilienspekulationen vor den Olympischen Spielen 1992 und die zahlreichen korrupten Politiker aller Parteien. Ein Beispiel für seinen kämpferischen Bürgersinn ist die Besetzung des Kinos »Cine Princesa« in der Via Laietana ( ▶ G 5 ) . Es war in den 50 er- bis 70 er-Jahren einer dieser großen Zelluloid-Paläste mit über 1200 plüschigen Sesseln, mit uniformierten Platzanweisern und 100  Meter langen Warteschlangen vor den Kassa-Häuschen. Ganze Generationen träumten hier von Hollywood und Freiheit. 1996 wurde das Kino geschlossen, Spekulanten hatten die Immobilie gekauft. Künstler und Gewerkschafter besetzten das Kino vom 10 . März bis 28 . Oktober 1996 . Montalbán beteiligte sich an Solidaritätskonzerten, textete Plakate und las öffentlich Manifeste vor.
    MORD, TOTSCHLAG UND EIN GUTES REZEPT
    Je älter und berühmter er wird, desto zynischer und bissiger werden seine politischen Essays, doch darüber vergisst er nie das gute Essen in seinen Stammlokalen
7  Portes
11 ( ▶ H/J 6 ) am Passeig Isabel  II . oder dem
Leopoldo
. Rezepte katalanischer Gerichte würzen in jedem Carvalho-Krimi Mord und Totschlag, z.B. als Carvalho in »Die Meere des Südens« liebevoll seine Scampis zerlegt:
    »Er schnitt drei Auberginen in zentimeterdicke Scheiben und salzte sie. Dann gab er Öl und eine Knoblauchzehe in die Pfanne und ließ sie bräunen, bis sie fast kross war. In demselben Öl zerdrückte er ein paar Scampiköpfe, schälte die Schwänze und schnitt Schinken in Würfel. Dann nahm er die
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