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Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)

Titel: Barcelona. Eine Stadt in Biographien: MERIAN porträts (MERIAN Digitale Medien) (German Edition)
Autoren: Wolfhart Berg
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Die große Montserrat Caballé hat im Allgemeinen nichts gegen Autogrammwünsche – und sie spricht ganz gut Deutsch.

MANUEL VÁZQUEZ MONTALBÁN
    1939 – 2003
    Er war politischer Autor und schrieb Krimis. Er schilderte mit Lust die Schattenseiten seiner Stadt. Und er liebte abgöttisch den Genuss, weil er wusste, dass ein halbleeres Weinglas immer halbvoll ist …
    W er oberhalb der Querschneise Avinguda Diagonal die großen Nord-Süd-Straßen wie Muntaner, Balmes oder d’Aribau in Richtung Oberstadt fährt, der blickt auf Barcelonas höchsten Berg, den Tibidabo, mit 517  Metern. Im Vergnügungspark dreht sich ein buntes Riesenrad, es scheppert eine schräge Achterbahn, und der vom Stararchitekten Sir Norman Foster für Olympia 1992 gebaute gläserne Teleturm
Torre de Collserola
leuchtet wie eine Mondrakete. Noch höher, als wollte der steinerne Christus die ganze Stadt segnen, thront die Basilika
Sagrat Cor
, die der Sacré Cœur in Paris nachgebildet ist. Nur 600  Meter Luftlinie entfernt, im fast dörflich ruhigen Stadtteil
Vallvidrera
mit Blick auf den Tibidabo, lebte der Schriftsteller und Stadtpoet Manuel Vázquez Montalbán mit Ehefrau
Anna
und Sohn
Daniel
die letzten drei Jahrzehnte bis zu seinem Tod 2003 . Von seinem Garten aus hatte der politischste Intellektuelle Barcelonas »einen Blick über den ganzen Stadtteil Sarriá und weiter über die Vía Augusta, bis zu dem dunstigen Horizont einer Stadt, die in Meeren von Kohlendioxyd ertrinkt« , schreibt er im Kriminalroman »Die Meere des Südens«. So sieht es zumindest sein literarisches Alter Ego, der Detektiv Pepe Carvalho.
    Doch es gibt an die 300  Sonnentage pro Jahr, da haben die meisten Besucher nicht den ewig sozialkritischen Blick Montalbáns. Da kann man bei strahlend blauem Himmel die fantastische Fernsicht über Gaudís Sagrada-Família-Türme 39 ( ▶ G 1 ) , die an riesige tropfende Wachskerzen erinnern, über das Jugendstilparadies Eixample und über die Altstadt hinweg bis hinunter zum Hafen mit dem Kolumbus-Denkmal 21 ( ▶ G/H 6 ) genießen. Vom
Tibidabo
aus betrachtet ist der Held und Entdecker so groß wie ein Streichholz, eine Perspektive, die bisweilen heilsam sein kann.
    Auch Montalbán hat als Kolumnist der größten spanischen Tageszeitung »El País« oft über den Hintersinn dieses »Ti bi Dabo« geschrieben. »Ich werde Dir geben«, soll einst der Teufel zu Jesus gesagt haben, um ihn auf diesem Berg mit dem verführerischen Glanz der Stadt zu bestechen. Jesus widerstand der Versuchung und steht nun als Statue auf dem schönsten Aussichtsplatz dieser Mittelmeermetropole. Touristen sollten sich trotzdem der teuflischen Versuchung hingeben.
    Manchmal, nach einer langen Nacht voller Diskussionen und Mojitos beziehungsweise Portweingläser in seiner leicht versnobten Lieblingsbar
Boadas
2 ( ▶ F 5 ) , lässt sich Montalbán frühmorgens mit dem Taxi aus dem Vergnügungs-Sumpf des Raval durch die Stadt hinauf bis zum Jugendstilpalast
La Rotonda
zur
Avinguda Tibidabo
fahren. Hier zwischen hochherrschaftlichen Landhäusern mit Zinnen und Spitzbögen trafen sich damals oppositionelle Künstler, auch Montalbán, um Aktionen gegen das Franco-Regime zu planen. Wenige hundert Meter aufwärts startet die 100  Jahre alte blaue Straßenbahn Tramvía Blau, die die kurvige
Avinguda del Tibidabo
bis zur Plaça del Doctor Andréu hochruckelt. Von dort fährt die Bodenseilbahn »Funicular« direkt zum Vergnügungspark hinauf.
    Der Auflagen-Millionär Montalbán ist mit seinen zwei Dutzend zwischen 1972 und 2001 in 23  Sprachen übersetzten sozialkritischen und gourmetverliebten Carvalho-Romanen der erfolgreichste Stadtkrimischreiber Europas. Er liebt zwar die morgendliche Stille am
Tibidabo
, aber eigentlich ist er ein Kind der Altstadt, speziell der
Ramblas
und rechts davon des sündigen
Barri Raval
.
    Raval?
Im Volksmund heißt es für Nicht-Katalanen wie Montalbán immer noch Barrio Chino statt Barri Xinès. 1939 wird Manuel im damaligen Armenviertel
Raval
als Kind Arbeit suchender Zuwanderer aus Galizien in der
Calle de Botella
geboren. Nomen est Omen! »Botella« heißt Flasche – und davon lieben er und seine Romanfigur die guten trockenen Weißweine aus der benachbarten Penedés-Region. Detektiv Pepe Carvalho kommt übrigens auch aus Galicien, das »h« im Namen verpasste ihm Montalbán wegen der Nähe zu Portugal. Der Autor wie sein Stadtdetektiv kämpfen folglich nicht für die katalanische Autonomie, sondern während der
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